Kommentar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verweist trocken auf die Rechtslage

BERLIN · Gleich muss sie an die Nordsee. Auf zur Bädertour im Wahlkampf. Am Montag ist dann die Ostsee mit ihrem eigenen Wahlkreis dran. Am Dienstag nochmal eine der Hochwasserregionen in Sachsen-Anhalt. Aber vorher muss Angela Merkel noch durch die NSA-Spähaffäre.

 Bewährte Tradition: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich vor der Sommerpause der Bundespressekonferenz in Berlin.

Bewährte Tradition: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich vor der Sommerpause der Bundespressekonferenz in Berlin.

Foto: dpa

Es sollen 100 nicht ganz leichte Minuten für die Bundeskanzlerin werden. Aber bitte, sie wird ja in diesen gut eineinhalb Stunden im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal der Bundespressekonferenz noch sagen, dass es "immer wieder neue Probleme" in diesem Amt gebe, die Arbeit als deutsche Regierungschefin gleichwohl "sehr schöne und inspirierende Dinge" biete.

Vom Auftakt der Wagner-Festspiele und dem anschließenden Kurz-Urlaub in Südtirol ist sie da noch eine knappe Woche weg. Erholung als Bundeskanzlerin? Merkel lakonisch: "Der sicherste Weg ist, dass man sich bei der Arbeit erholt." Aber die NSA-Spähaffäre, ihr Telefonat mit US-Präsident Barack Obama dazu, das scheinbare Entgegenkommen der Amerikaner, die Reise ihres Innenministers in die USA und das Bekanntwerden eines angeblich zweiten Prism-Programmes der Nato in Afghanistan, das vielleicht tatsächlich aber nur ein Programm ist, vielleicht aber auch nicht, all das hat inzwischen einen Rattenschwanz von Fragen produziert.

Die Kanzlerin soll sie möglichst hier bei ihrem Jahresbesuch vor den versammelten Hauptstadt-Korrespondenten beantworten. Merkel lässt sehr früh in ihrer knapp 15-minütigen Einführung erkennen, dass sie nicht die Absicht hat, sich in den Details eines US-Spähprogrammes zu verheddern.

Ob Prism I (das der NSA) oder Prism II (das der Nato), ob Datenmengenobergrenze oder auch nicht, Merkel sagt: "Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von Prism vorzunehmen." Damit ist klar: Die Bundeskanzlerin will auf sicherem Boden in den Sommerurlaub.

Keine Exkursion mehr ins Sumpfgebiet oder anderes Terrain, deren Gefahren sie nicht überschauen kann. Nun gut, als Physikerin sei sie doch an gesicherter Erkenntnis interessiert, wird sie gefragt. Die CDU-Chefin kontert schlicht: "Ich habe den Beruf gewechselt." Wenn es bloß so einfach wäre.

Merkel spürt, dass sie die NSA-Spähaffäre so bald nicht los wird. Natürlich liefert sie der Opposition damit Stoff im Wahlkampf. Selbstredend treibt die Menschen im Lande die Frage nach der Datensicherheit um. Und offenbar haben die Amerikaner unendlich Zeit, das Ausmaß der Überwachung auch von Millionen deutscher Internetnutzer zu prüfen.

Wie lange diese Prüfung gehen soll? Merkel will dies nicht mit einem Termin wie dem 22. September, dem Tag der Bundestagswahl, verknüpfen. Merkel sagt: "Ich habe ein hundertprozentiges Interesse an den Dingen, dass was rauskommt." Aber sie weiß auch: "Es liegt eben auch nicht allein in meiner Hand." Berlin habe einen "ganz konkreten Fragenkatalog" nach Washington geschickt. Und darauf "noch keine Antworten" erhalten. "Die Arbeiten gehen weiter. Sie dauern an." Die Partner jenseits des Atlantiks bräuchten einfach Zeit zur Prüfung.

Merkel bleibt während dieser 100 Minuten, jedenfalls bei Fragen zu NSA und Prism, eine Meisterin des Ungefähren. Ihre Konstante ist die bereits wiederholte Feststellung, wonach auf deutschem Boden deutsches Recht zu gelten habe. Dies verlange man den Amerikanern ab. Und um den Vorrang für dieses Recht zu unterstreichen, zitiert sie sogar ihren Vorgänger als Bundeskanzler, Gerhard Schröder (SPD). Nicht nur ein Mal, sondern gleich zwei Mal mit ein- und demselben Satz.

In seiner Neujahrsansprache 2003 hat Schröder demnach folgenden Satz geliefert: "In Deutschland gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts." Später wird sie diese Aussage noch einmal wiederholen, weil es ja nicht schlecht sein kann, die andere große Volkspartei bei aller Konkurrenz mit ins Boot zu holen. Immerhin hatte die SPD doch gleichfalls mehrfach im Kanzleramt Verantwortung für die Kontrolle der deutschen Geheimdienste.

Zur Verantwortung ihrer Minister und dem Vertrauen in ihre Minister, vor allem in Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), der die Geheimdienste von Amts wegen koordiniert, ist die Regierungschefin klar. Sie habe "volles, vollstes Vertrauen" in ihre Minister, natürlich auch in Pofalla, der mitnichten abgetaucht sei, sondern dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages zur Kontrolle der Geheimdienste "Rede und Antwort gestanden hat und auch wieder stehen wird".

Dies gelte auch für Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), durch das Debakel um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" angezählt, der natürlich dem Untersuchungsausschuss dazu "umfassend Rede und Antwort stehen wird". De Maizière leiste "sehr gute Arbeit", sagt die Regierungschefin. Wie war das? Volles oder vollstes Vertrauen.

Am Ende, so lässt sie erkennen, muss sie sich als Bundeskanzlerin daran messen lassen, ob zwischen den Partnern Deutschland und USA auch in Sachen Freiheit, Datenschutz und Geheimdienstgepflogenheiten eine Einigung erzielt werden kann. "Ich habe als Chefin dieser Bundesregierung hier die ganz klare Verantwortung", betont Merkel.

Damit ist die NSA-Spähaffäre und eine Lösung dazu auch erklärtermaßen Chefsache. Ob sie Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden dankbar für die Offenlegung der US-Datenüberwachung sei? Merkel weicht aus. Dadurch beschäftige sich nun die Regierung mit dem Thema. Das stimmt. Sie sagt noch: "Es ist vielleicht eine Antwort, die Sie nicht zufriedenstellt, aber es ist meine Antwort."

Scharz-gelbe Zwischenbilanz

Es ist Wahlkampf. Da betont Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerne die eigene Bilanz.

  • Koalition: Merkel will eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb, schließt aber auch eine große Koalition nicht aus. "Aber ich werde (...) nicht darauf hinarbeiten."
  • Haushalt: Nach eigener Darstellung führt die CDU-Vorsitzende "die erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung". Dieser Satz sei nach wie vor richtig, "wenn Sie sich die Fakten ansehen". Die Fakten sind demnach 41,8 Millionen Erwerbstätige oder auch die "strukturelle Null", mithin sogar ein leichtes Plus, beim Bundeshaushalt 2014.
  • Energiewende: Der Industriestandort Deutschland wird sich laut Merkel auch mit Energierwende gut entwickeln. Eine Reform des Gesetzes über die Erneuerbaren Energien werde nach der Wahl eine erste Antwort auf steigende Strompreise sein. Pläne der Europäischen Kommission, die Atomenergie nun besonders zu fördern, lehnt sie auch mit Blick auf den für Deutschland beschlossenen Atomausstieg ab.
  • Euro-Krise: Die Schuldenkrise in einigen Mitgliedsstaaten ist nach Überzeugung Merkels noch nicht überwunden, auch wenn manche Problemstaaten "teils erhebliche Fortschritte" gemacht hätten. Einen neuen Schuldenschnitt für Griechenland, über den diskutiert wird, sieht Merkel nicht. Sie warnte vor unkalkulierbaren Folgen für den Euro-Raum. Ein Schuldenschnitt könnte zu einer "massiven Verunsicherung" von Investoren führen.
  • Ganztagsbetreuung: Den Rechtsanspruch auf Kita-Ganztagsbetreuung für Unter-Dreijährige ab dem 1. August will Merkel auch in den Ballungsräumen von Großstädten erfüllt sehen. Zur Ganztagsbetreuung von Schülern sagte sie, es müsse schon der Anspruch sein, dass Familien überall dort, wo sie eine Betreuung wünschten, diese auch bekommen könnten. Man könne nicht Kita-Betreuung anbieten und in dem Moment, wo Kinder eingeschult würden, Familien alleine lassen.
  • Ägypten: Merkel fordert die Freilassung des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi. Zugleich sprach sich die Bundeskanzlerin für einen politischen Prozess aus, der alle gesellschaftlichen Gruppen mitnehme.
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