Olympische Folgen Bundesregierung debattierte Extremismusklausel bei Sportförderung

BERLIN · Die Debatte über den Fall der deutschen Ruderin Nadja Drygalla schlägt in der Bundeshauptstadt immer höhere Wellen. Im Bundesinnenministerium wird seit Ende des vergangenen Jahres darüber nachgedacht, ein "Demokratiebekenntnis" in die Förderrichtlinien für Spitzensportler aufzunehmen.

Die Entscheidung darüber sei aber noch nicht getroffen, hieß es aus dem Haus von Minister Hans-Peter Friedrich (CSU). Die anhaltende Diskussion spiegelt offensichtlich unterschiedliche Meinungen in seinem Haus wieder.

Mit großer Aufmerksamkeit ist in diesem Zusammenhang innerhalb der Bundesregierung die Intervention Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière (CDU) registriert worden. Er hatte bei einem Besuch der Olympiade in London zu Wochenbeginn gefragt: "Steht es uns als Öffentlichkeit wirklich zu, den Freundeskreis von Sportlerinnen und Sportlern zu screenen", also zu durchleuchten? Der Verteidigungsminister, der auch für die Sportförderung der Bundeswehr zuständig ist, werde einen eventuellen Antrag der 23-Jährigen auf Sportförderung "in Ruhe prüfen".

Das Bundesinnenministerium, das auch den Sport in seiner Verantwortung hat, debattiert nun seit acht Monaten über die Frage, ob eine Extremismus-Klausel hilfreich sein kann. Mit ihr sollten die Leistungsempfänger sich zu einem aktiven Bekenntnis für die freiheitliche Demokratie und gegen Extremismus und Fremdenhass verpflichten.

Eine solche Klausel ist 2011 im Bundesfamilienministerium entwickelt worden. Sie verlangt von allen gesellschaftlichen Initiativen, die staatlich gefördert werden wollen, ein verbindliches Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie abzugeben. Trotz massiver Proteste von betroffenen Vereinen und Verbänden - viele von ihnen mit einer Gemeinnützigkeits-Bescheinigung - blieb die Bundesregierung bei ihrer Haltung, mit der man das Problembewusstsein in der Gesellschaft für den Extremismus stärken wollte.

Das Problem geht über den Fall Drygalla weit hinaus: Die Neonazis rekrutieren sehr häufig Nachwuchs aus kleinen und ländlichen Sportvereinen. Wer sich in kleinen Vereinen um ein Ehrenamt bemühe, werde sehr herzlich aufgenommen, erklärt der Sportsoziologe Gunter Pilz. Auf die politische Gesinnung achte niemand so richtig, Die Vereine seien oft durch politische Gleichgültigkeit geprägt. Pilz berät unter anderem den Deutschen Fußballbund in Sachen Rechtsextremismus.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte, er werde gegen alle Maßnahmen votieren, die "in das System der Gesinnungsschnüffelei zurückfallen". Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) warnte vor einer "Hexenjagd". Ähnlich argumentierte auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Er wolle nicht in einer Republik leben, in dem der Staat unter die "Bettdecke der Bürger" schaut. Es sei eine rein private Angelegenheit der Athletin.

In jedem Fall wird sich nach Abschluss der London-Olympiade der Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit den Vorgängen beschäftigen.

Machen Sie mit!

Die Debatte um den Fall Drygalla geht weiter. Diskutieren Sie mit dem stellvertretenden Chefredakteur Alexander Marinos unter: blog.ga.de/aktion

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