Sondierungsgespräche CDU und Grüne - Die Kunst des Brückenbauens

BERLIN · Das Spiel ist aus. Gerade hat Deutschland sein letztes Spiel dieser WM-Qualifikation gewonnen. 5:3 in Schweden. Die schwarz-grünen Unterhändler in der Parlamentarischen Gesellschaft sind informiert. Und gerade haben die Grünen ihre letzte Sondierung mit der Union abgeschlossen. Ja, das Spiel ist aus. Es ist jetzt 23.34 Uhr. Soeben haben die Grünen bei den Kollegen von CDU und CSU noch einmal um einen Aufschub für eine letzte interne Beratung gebeten. Die Union signalisiert: Nehmt Euch die Zeit, die Ihr braucht. Wir warten.

 Die scheidende Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, und der Vorsitzende Cem Özdemir verlassen die Parlamentarische Gesellschaft nach den Sondierungsgesprächen.

Die scheidende Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, und der Vorsitzende Cem Özdemir verlassen die Parlamentarische Gesellschaft nach den Sondierungsgesprächen.

Foto: dpa

In der achtköpfigen Grünen-Sondierungsdelegation fragen sie nun die Meinung jedes Einzelnen ab, erzählt nachher Parteichefin Claudia Roth. Ja oder Nein zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen über Schwarz-Grün? Am Ende muss schließlich eine Begründung her, warum es für den Weg in Richtung Schwarz-Grün nicht gereicht hat. Es muss eine Begründung sein, die auch durch den Grünen-Parteitag an diesem Wochenende muss.

"Im Konsens", so berichten später Roth und Co-Parteichef Cem Özdemir, hätten die acht Grünen-Unterhändler entschieden, dass die Menge an Gemeinsamkeiten bei aller atmosphärischer Annäherung der Parteien nicht groß genug für eine gemeinsame Regierungszeit sei. Die Union hat sich aus Sicht der Grünen gewissermaßen nicht für Koalitionsverhandlungen über Schwarz-Grün qualifiziert. Man könnte aber auch sagen: Die Grünen haben die selbst gesteckten Standards nicht überspringen können. Prinzipientreue. Aus in der zweiten Runde.

[kein Linktext vorhanden]Sechs Stunden haben CDU, CSU und Grüne in guter Atmosphäre verhandelt, wie die Beteiligten versichern. Die Stimmung zwischen den einstigen politischen Gegnern soll sogar so gut gewesen sein, dass sie sich später wechselseitig "großen Respekt" (CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe) versichern, ebenso die Bereitschaft, einander zuzuhören. Grünen-Chefin Roth lobt die "außerordentlich sachliche, sehr neugierige, sehr klare und sehr gute Atmosphäre". Und dies alles ohne Alkohol, wie Roth auf eine Bemerkung von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles vom schwarz-roten Vorabend anspielt.

Roth klingt jedenfalls ernsthaft überrascht über die schwarz-grüne Annäherung, hat aber auch einen erleichterten Gesichtsausdruck, als sei sie froh, zumindest derzeit Schwarz-Grün nicht wagen zu müssen.Und auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der gegen die Grünen im Wahlkampf ordentlich geholzt hatte, betont gleichfalls die "guten und sachlichen" Gespräche. Dann sagt er noch: "Und es war ruhig." Eine Anspielung auf seine Auseinandersetzung mit SPD-Vize Hannelore Kraft am Abend zuvor.

Dass es am Ende dann doch nicht für eine Basis gereicht hat, auf die sich vor allem die Grünen für vier gemeinsame Regierungsjahre mit der Union getraut hätten, begründet Co-Parteichef Cem Özdemir dann so: "Die Brücken sind noch nicht so stabil, dass sie für vier Jahre halten." Özdemir versichert, dass diese Absage nun "nicht das Zunageln der Tür für alle Zeiten" bedeute. Wer weiß schon, was noch kommt?

Und wer weiß, welches Ergebnis der SPD-Mitgliederentscheid bringt, wenn Union und Sozialdemokraten denn über einen Koalitionsvertrag verhandeln sollten und am Ende die Parteibasis der SPD gefragt werden soll. Özdemir: "Die Tür ist offen. Sie wird nicht nicht mehr ohne Weiteres zugehen." Der Grünen-Chef betont am Morgen danach im Deutschlandfunk noch einmal ausdrücklich die staatspolitische Verantwortung auch seiner Partei, wenn es mit Schwarz-Rot nichts werde.

Sollten Gespräche für eine große Koalition scheitern, "kann es natürlich sein, dass man nochmal miteinander spricht", so Özdemir. "Dann ist zunächst einmal Frau Merkel am Zug", sagt Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke. Sie will aber nicht darüber spekulieren, ob die neue Parteiführung dem am morgigen Freitag beginnenden Parteitag eine Art Vorratsbeschluss abverlangen will, nach dem die Grünen sich für mögliche Koalitionsgespräche in die Pflicht nehmen ließen, sollten sich CDU, CSU und SPD nicht einig werden.

Aus Sicht der Union gab es bei der Sondierung mit den Grünen "keine als unüberwindbar einzuschätzenden Gegensätze", wie CDU-Generalsekretär Gröhe sagt. Und CSU-Kollege Dobrindt sekundiert, "von unserer Seite habe ich keine Probleme gesehen, die unüberwindbar gewesen wären". Laut Gröhe hätte sich die Union auch einer dritten Sondierungsrunde mit den Grünen nicht verschlossen. Doch den Grünen war das Entgegenkommen der Union beispielsweise bei der doppelten Staatsbürgerschaft zu wenig. Bei einem ihrer Kernthemen, der Energiewende, war die Union den Grünen laut Lemke im "Systemkonflikt" zwischen erneuerbaren und fossilen Energien zu sehr auf Öl, Kohle und Gas aus. Auch bei Mindestlohn und höheren Steuern war die Annäherung demnach zu gering.

Doch Lemke sagt, was auch Gröhe, Dobrindt und Özdemir ähnlich betont haben: "Mit diesen Gesprächen ist eine andere Basis für künftige Gespräche geschaffen." Ein Anfang. Wer weiß, wann die Fortsetzung folgt.

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