Klimaschutz CO2-Steuer ist zweitbeste, aber machbare Lösung

Berlin · Nicht mehr das Ob, sondern nur noch das Wie ist umstritten, wenn es darum geht, den Treibhausgas-Ausstoß zu verteuern. Ökonomen sehen in einer CO2-Steuer, die sich am Zertifikatehandelssystem der EU orientiert, die zweitbeste, aber machbare Lösung.

Als Vizepräsident des Familienunternehmerverbandes und Mitgesellschafter eines großen mittelständischen Unternehmens in der Eifel weiß Karl Tack nur zu gut, wie „die Wirtschaft“ beim Klimaschutz gerade tickt. „Wir Familienunternehmer finden es toll, was die 'Fridays-For-Future'-Schüler machen. Wir wollen, dass daraus ein All-Days-For-Future wird“, sagt der Mitgesellschafter der Rhodius Gruppe, die in Burgbrohl Mineralwasser und Schleifmaschinen herstellt. Auch aus anderen Wirtschaftsverbänden ist zu hören: Die Bekämpfung des Klimawandels sei die größte gesellschaftliche Aufgabe der Gegenwart. Die meisten Unternehmen sind bereit, dafür große Veränderungen hinzunehmen: Klimaschädliches CO2 müsse künftig einen Preis haben, fordern die Verbände.

In dieser Woche erst hat ein bemerkenswertes Bündnis aus Wirtschaftsverbänden, darunter der Industrieverband BDI und der Deutschen Gewerkschaftsbund, ein gemeinsames Papier vorgelegt, in dem es eine „verlässliche, zeitnahe Entscheidung“ zur CO2-Bepreisung von der Bundesregierung fordert. In Umfragen steht auch die Mehrheit der Bürger hinter dem Anliegen der Schülerbewegung. Nicht die grundsätzliche Frage des Ob, sondern nur noch die Frage des Wie wird also die Debatte in den kommenden Wochen beherrschen. Am 18. Juli beschäftigt sich das Klimakabinett erstmals genauer mit den Vorschlägen zur CO2-Verteuerung. Mitte September will die Regierung Entscheidungen dazu treffen.

Zwei Konzepte stehen sich gegenüber, für beide legen deren Befürworter derzeit am laufenden Band wissenschaftliche Gutachten vor. SPD und Grüne wollen, unterstützt von drei wissenschaftlichen Instituten, einen Preis für CO2 im Straßenverkehr, Gebäudesektor und in der Landwirtschaft erheben, indem sie die Mineralölsteuer auf Benzin, Diesel, Heizöl und Gas möglichst schon ab 2020 schrittweise bis 2030 erhöhen. Die drei Wirtschaftssektoren sind bisher nämlich anders als die Industrie und Teile des Luftverkehrs nicht integriert in den schon seit 2005 existierenden europäischen Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten (ETS). Auch deshalb haben diese Sektoren anders als die Industrie noch kaum oder, wie der Verkehrssektor, gar nicht zum Klimaschutz beigetragen.

Erhöhung der Mineralsteuer

Das alternative Konzept, befürwortet von Union, FDP und der Mehrheit der Wirtschaftsverbände, sieht dagegen die Ausweitung des Zertifikatehandels auf Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft vor. Die Anbieter von Benzin, Diesel und Heizöl wären dadurch gezwungen, Verschmutzungsrechte am Markt zu erwerben, der Preis für die fossilen Brennstoffe würde sich entsprechend erhöhen, so dass der CO2-Ausstoß für Autofahrer und Hausbesitzer mehr kosten würde als bisher. Beide Konzepte sind verbunden mit einer Rückzahlung an die Bürger: Der Staat solle sich an der CO2-Bepreisung nicht bereichern, versichern die Befürworter, es gehe allein um die „Lenkungswirkung“: Wer viel CO2 verursache, müsse dies preislich stärker spüren. Wer CO2 einspare, würde tendenziell belohnt.

Als Hauptargument für eine Erhöhung der Mineralölsteuer wird ins Feld geführt, dass dieser Plan ohne Zustimmung der EU-Partner auf nationaler Ebene kurzfristig umsetzbar wäre. Die Einbeziehung des Verkehrs- und Gebäudesektors in den ETS-Handel müsse dagegen erst mühsam auf EU-Ebene durchgesetzt werden, und dafür gebe es absehbar keine Mehrheit unter den Mitgliedstaaten. Zudem waren die Zertifikatepreise am Markt über viele Jahre viel zu niedrig, weil die Mitgliedsstaaten zum Handelsstart zu viele Zertifikate kostenlos herausgegeben hatten. Erst seit der jüngsten Reform und der Verknappung der Verschmutzungsrechte zog der Preis an. Allerdings ist er mit derzeit 25 Euro pro Tonne CO2 weiterhin noch viel zu niedrig, um etwa im Verkehr eine nennenswerte Vermeidungswirkung zu entfalten .

Viele Experten sehen in einer Erhöhung der Mineralölsteuer nur eine Übergangslösung. Denn ökonomisch gesehen wäre die Einbeziehung von Verkehr, Gebäude- und Landwirtschaft in den ETS-Handel die effektivere, weil marktwirtschaftlichere Weg. Er würde dazu führen, dass immer dort am meisten und am schnellsten CO2 eingespart würde, wo für eine Menge Emittenten die höchsten Verschmutzungskosten anfallen.

Sondergutachten vorlegen

In einem von Karl Tack am Mittwoch vorgestellten Gutachten für den Verband der Familienunternehmer zeigt der Magdeburger Ökonom Joachim Weimann auf, dass Deutschland mit der Energiewende schon einen enorm hohen, aber weitgehend wirkungslosen Aufwand betreibe, wenn es um das Ziel der CO2-Verminderung geht. Statt die Kosten der Energiewende jetzt noch weiter durch eine höhere Mineralölsteuer als „Add-On-Steuer“ anzuheben, plädiert Weimann für die Ausweitung des Zertifikatehandels auf die drei Sektoren. Jedes Jahr müsse nur die Zahl der Zertifikate um 1,5 Prozent verringert werden, um die Klimaziele zu erreichen.

An diesem Freitag wird der Wirtschafts-Sachverständigenrat ein Sondergutachten im Auftrag des CDU-geführten Kanzleramts vorlegen. Es dürfte eine Überraschung sein, wenn die Wirtschaftsweisen nicht ebenfalls den Königsweg in der Ausweitung des Zertifikatehandels sähen. Doch der Chef des Sachverständigenrats, Christoph Schmidt, hatte unlängst schon eingesehen, dass dieser Weg in der EU politisch kaum schnell genug umsetzbar wäre. Die „zweitbeste Lösung“ wäre aus Sicht Schmidts daher, aus dem ETS-Handel einen Mindestpreis für CO2 abzuleiten und ihn dann mit einer neuen CO2-Steuer zu harmonisieren. „Dann hätte CO2 in allen Bereichen denselben Preis und würde dort vermieden, wo dies am kostengünstigsten ist.“

Das wäre dann zwar nicht exakt im Sinne des Familienunternehmers Karl Tack. Aber das Konzept wäre immerhin marktwirtschaftlicher als die rein willkürliche Erhöhung der Mineralölsteuer durch die Bundesregierung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort