Großer Tauschhandel CSU freut sich über Betreuungsgeld, FDP feiert Pflegekosten-Zuschuss
BERLIN · An Selbstbewusstsein mangelt es der SPD-Generalsekretärin nicht. Das Bundeskabinett war noch gar nicht zusammengetreten, und schon machte Andrea Nahles darauf aufmerksam, dass das Betreuungsgeldgesetz den Weg jedes umstrittenen Gesetzes gehen und in Karlsruhe auf dem Tisch der Bundesverfassungsrichter landen würde.
Die SPD hege die starke Vermutung, dass der Bundesrat - anders als von der Bundesregierung behauptet - doch dem Gesetzesverfahren zwingend zustimmen muss. Im Auftrag des Hamburger Senats zerbrechen sich jetzt Juristen den Kopf über diese Frage.
In jedem Fall sind sich die Genossen darüber einig, dass eine SPD-geführte Bundesregierung das Betreuungsgeld wieder kippen würde, käme es im Herbst 2013 zu einer rot-grünen Mehrheit. Das Bundeskabinett ließ sich am Mittwoch von solchen Drohungen naturgemäß nicht einschüchtern. Auf der Tagesordnung: das Betreuungsgeldgesetz, das so dringlich vor allem von der CSU eingefordert worden war, die auf den Wortlaut des Koalitionsvertrages pochen konnte.
Die FDP stimmte dem Projekt zu. Der Gegenzug: Bei dem Koalitionsgipfel zu Wochenbeginn hatte man sich darauf verständigt, dass das Kabinett staatlichen Zuschuss-Leistungen für eine Pflege-Zusatzversicherung grünes Licht gibt, wie von der FDP gewünscht. Inhaltlich haben die beiden Punkte nichts miteinander zu tun. Die Projekte wurden Gegenstand eines großen Tauschgeschäfts in der Koalition. Dementsprechend schäumten die drei Oppositionsparteien am Mittwoch.
Vor allem das Betreuungsgeld war ein Herzensanliegen der Christ-Sozialen. Die heftige Kritik an dem Projekt führten ausgerechnet 23 CDU-Abgeordnete an, die ihrer Kanzlerin und CDU-Parteichefin schriftlich mitteilten, sie würden im Bundestag gegen eine solche Regelung votieren. Die EU-Kommission zeigte sich überrascht, dass in Deutschland Geld gezahlt wird, um Frauen von der Arbeit abzuhalten.
Eine heftige innenpolitische Debatte bahnte sich ihren Weg: Das Gesetz sieht vor, dass an Eltern für Kinder, die älter als ein Jahr und nicht in staatlicher Kita-Obhut sind, ab dem 1. Januar 2013 monatlich 100 Euro ausgezahlt werden. Für Kinder, die zwei oder drei Jahre alt sind, werden ab 2014 sogar 150 Euro fällig. Grundsätzlich anspruchsberechtigt sind auch Hartz-IV-Empfänger, denen das Betreuungsgeld aber auf die staatliche Unterstützung angerechnet wird.
Die erweiterte Neuregelung der Zusatzversicherung basiert auf der Erwartung, dass - je älter die Gesellschaft im Schnitt wird - immer mehr Pflegeleistungen anstehen. Deswegen fördert die Koalition eine Zusatzabsicherung mit fünf Euro monatlich. Bundesfinanzminister Schäuble hat dafür 100 Millionen Euro im Haushalt bereit gestellt. Das reicht für über anderthalb Millionen Pflegeverträge.
Nicht nur Sprecher der Oppositionsparteien lehnten die Neuregelung, die ebenfalls 2013 in Kraft treten soll und im Schnellverfahren durch das Parlament gepaukt wird, als unzureichend ab. Am schärfsten reagierte die deutsche Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt meint bündig: "Das ist kein Beitrag, um die nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung zu sichern."