Raumfahrt-Mission der Nasa "Curiosity" soll so tief wie nie den Boden erforschen

WASHINGTON · Bilderbuch- oder Bruchlandung? Vom Ausgang der umgerechnet rund zwei Milliarden Euro teuren Mission, an der zehn Jahre lang 5000 Wissenschaftler aus 37 Nationen beteiligt waren und die auch darum an vielen Orten Amerikas übertragen wird ("Mars Midnight Madness"), hängt nach Angaben von Nasa-Chef Charles Bolden nicht weniger als die Zukunft der All-Erkundung insgesamt ab.

Rob Manning gehört zu den wenigen Menschen auf der Erde, die ausschließlich für ihre Allmachts-Phantasien bezahlt werden; und zwar himmlisch. Der Chef-Ingenieur des Nasa-Raumfahrtprogramms für den Planeten Mars hat jahrelang mit Hunderten Spezialisten in den weitläufigen Hallen des "Jet Propulsion Laboratory" (JPL) im kalifornischen Pasadena Herrn Murphy aus dem gleichnamigen Gesetz gespielt. "Was auch immer schief gehen könnte bei dieser Fahrt", sagte der bärtige Wissenschaftler jüngst vor Journalisten, "wir haben es durchgespielt und Vorsorge getroffen."

Am Montagmorgen gegen 7.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit soll sich in rund 250 Millionen Kilometer Entfernung zeigen, ob Manning und seine Leute wirklich an alle Eventualitäten gedacht haben. Beim bisher ausgeklügeltsten und riskantesten Einpark-Vorgang in der Geschichte der Raumfahrt gilt es, die sechs Räder des neuen Erkundungskleinwagens "Curiosity" (Neugier) nach neunmonatiger Anreise punktgenau und sicher auf dem roten Planeten in den Sand zu setzen.

Doug McCuistion, Ober-Chef des Mars-Programms, ist im Vorfeld um Superlative auch nicht verlegen gewesen. "Curiosity ist das größte und komplizierteste Stück Ausrüstung, das jemals auf einem anderen Planeten abgesetzt wird." In dem knapp 900 Kilogramm schweren und drei Meter langen Gefährt, das unter "Mars Science Laboratory" (MSL) firmiert, stecken zehn beispiellose wissenschaftliche Technik-Kraftpakete.

Unter anderem ein Laser, der Felsbrocken auf 20 Meter Entfernung in glühend heißes Plasma schmelzen kann. Das Licht, das dabei erzeugt wird, gibt Aufschluss über die chemischen Bestandteile der Materie. Ein an der Spitze des Robotergreifarms installierter Spezialbohrer soll tief ins Gestein vordringen und bereits vor Ort erste Analysen möglich machen können. Wozu das alles? Generell geht es wieder um die Frage, die schon seit Ewigkeiten einen Teil der Menschheit bewegt: Ist der Mars, auf dem Stürme mit Geschwindigkeiten von bis zu 400 Kilometern pro Stunde und Bodentemperaturen von bis zu minus 80 Grad keine Seltenheit sind, bewohnbar?

Im Vergleich zu "Curiosity", das mit einem kleinen, sich aus Plutoniumdioxid speisenden Atomkraftwerk angetrieben wird, nehmen sich die Vorgänger wie Prototypen aus dem Raumfahrt-Pleistozän aus. Der Debütant, die "Sojourner", war 1996 gerade mal so groß wie eine Mikrowelle. Die Nachfolger "Spirit" (versandet) und "Opportunity" (immer noch unterwegs) brachten es auf 1,50 Meter. Die Betriebsdauer des neuen, über drei Meter langen stählernen Forscher-Fahrzeugs, das am Tag knapp 150 Meter zurücklegen kann, ist offiziell auf ein Mars-Jahr ausgelegt; gleich 687 Erdentage. Die Energievorräte an spaltbarem Material reichen gleichwohl für ein Jahrzehnt.

Dreh- und Angelpunkt für das Gelingen oder Scheitern des Projekts war in den letzten Tagen die Frage, ob das wissenschaftliche Frachtgut rechtzeitig sanft und präzise genug abgebremst werden kann. Mehr als die Hälfte der 14 Mars-Missionen seit den 60er Jahren endeten mit Totalschaden.

Das Drehbuch des Landevorgangs liest sich wie eine Aneinanderreihung von jeweils für sich hoch ambitionierten Solo-Experimenten. Die Kurzversion geht so: "Curiosity" steckt in einer Kapsel, die mit 20 000 km/h gen Mars rast und sich dabei an der Unterseite am Ende auf bis zu 1 600 Grad Celsius erhitzt. Elf Kilometer über dem anvisierten Landeort im Gale-Krater kommt ein Fallschirm zum Vorschein, der das Gefährt rapide abbremst.

Nach Abwurf des Hitzeschildes wiederum kriecht in ungefähr 1,5 Kilometer Höhe eine mit Bremsraketen ausgestattete Plattform aus dem Kapselinneren, der "Himmelskran". Von ihm aus seilen Computer die "Curiosity" an vier Kabeln ab, bis die Räder Mars-Staub unter dem Gummi haben. Nach gelungener Lieferung klinken sich die Transportseile mit Hilfe von mehr als 70 exakt dosierten Sprengladungen aus, die Kapsel steigt wieder in die Höhe und bringt sich in sicherer Entfernung selbst zum Absturz. Fertig.

"Es hört sich alles sehr verrückt an", sagte Ingenieur Adam Stetzner gestern, "aber wenn alle Dominosteine im richtigen Moment fallen, wird es klappen." Fehlertoleranz? "Null". Eingreifmöglichkeiten von der Erde? "Auch null."

Weil das Funksignal vom Mars bis zum Kontrollzentrum 14 Minuten benötigt, wird die Bodencrew in Pasadena heute Morgen erst mit einiger Verzögerung schlau, ob die Landung geklappt hat. Rob Manning nannte den Landeanflug gestern "sieben Minuten des Schreckens", wenn "Curiosity" die dünne Mars-Atmosphäre durchfliegt und bis auf Null abgebremst werden muss. Seine Hoffnung: ein gutes Ende. Trotz aller Allmachts-Phantasien. "Die Mars-Rover sind wie unsere Kinder. Man bringt ihnen bei, was man kann. Und dann hofft man, dass sie nicht in Schwierigkeiten geraten."

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