Deutsch-französischen Beziehungen Das blinde Verständnis von früher fehlt

BERLIN · Diesen Seitenhieb kann sich Wolfgang Schäuble an diesem Dienstag dann doch nicht verkneifen. Neben dem Bundesfinanzminister sitzt sein sozialistischer Amtskollege Pierre Moscovici. Gleich beginnt der 25. Deutsch-Französische Finanz- und Wirtschaftsrat". Da sagt Schäuble voller Süffisanz: "Im Übrigen haben wir uns darauf verständigt, dass wir die Partei des jeweils anderen nicht wählen werden." Feinsinniger kann man die momentanen Probleme in den deutsch-französischen Beziehungen nicht auf den Punkt bringen. Der Gast aus Paris lächelt leicht gequält.

 Schwieriges Verhältnis: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande bei einem EU-Gipfel.

Schwieriges Verhältnis: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande bei einem EU-Gipfel.

Foto: dpa

Man weiß: In den bilateralen Beziehungen rumpelt es gewaltig. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ zwar mehrfach ausrichten, sie interessiere sich nur für die "Positionierung der Regierung in Paris", nicht aber für die der Sozialistischen Partei, von der die Regierung allerdings maßgebend getragen wird. Deutsche Diplomaten versuchen verzweifelt die Bedeutung des momentanen Streits herunterzuspielen. Die bilateralen Beziehungen seien "gut und dicht wie eh und je", wird betont. Diese Beteuerungen wiederholen sich in einem inflationären Umfang. Hinter ihrer Glaubwürdigkeit steht ein dickes Fragezeichen.

Allgemein bekannt sind die Schwierigkeiten, "eine Chemie" zwischen Präsident François Hollande und Kanzlerin Merkel herzustellen. Anders als bei Vorgänger Nicolas Sarkozy "ist nichts selbstverständlich", bemerkt ein Berliner Diplomat. Es gebe kein "blindes Verständnis". Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem die Linke bei den französischen Sozialisten mit Merkel ein Feindbild deutscher Rücksichtslosigkeit aufbauen kann. Erst in letzter Sekunde konnte ein Eklat vermieden werden, weil die Sozialisten eine rücksichtslose Passage gegen Merkel und ihre "egoistische Unnachgiebigkeit" entschärften. Wichtige Koalitionspolitiker wie FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle reagierten verschnupft.

In der Sache musste Berlin nachgeben. Die EU-Kommission bewilligte Frankreich mehr Zeit als bisher vorgesehen für die nationale Haushaltssanierung. Die Bundesregierung, die im Zusammenhang mit der Währungskrise immer nachhaltiger auf eiserne Haushaltsdisziplin Wert gelegt hatte, äußerte sich verklausuliert: Finanzminister Schäuble betonte zwar, dass der Stabilitätspakt einen entsprechenden Spielraum für Länder gäbe, die in finanzpolitischen Schwierigkeiten stecken. Das gelte beispielsweise für Spanien, aber eben auch für Frankreich.

Amtskollege Moscovici nannte die Erleichterungen, gegen die es innerhalb der Berliner Koalitionsparteien erhebliche Bedenken gibt, "keine Einladung zur Faulheit". Die Bemühungen zur Sanierung der Staatsfinanzen werden fortgeführt, so der französische Finanzminister. Die stärkere Berücksichtigung des Wachstumsgedankens sei dabei hilfreich. Zuletzt hatte Paris noch vor einem "Austeritätsdogma", also einer radikalen Sparpolitik, gewarnt.

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