Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy Das große Schweigen

MADRID · "Ich habe nichts zu verbergen", sagte Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy (58), als er noch das Gefühl hatte, dass die Lage unter Kontrolle war. "Ich fürchte die Wahrheit nicht." Doch die Zeiten haben sich geändert. Nun vergeht kein Tag, an dem nicht neue, unbequeme Einzelheiten über Rajoys mutmaßliche Rolle in einem großen Korruptions- und Bestechungsskandal in seiner konservativen Volkspartei (PP) herauskommen. Und plötzlich verfällt Rajoy, der seit Ende 2011 an der Regierungsspitze steht und seit 2004 Parteivorsitzender ist, in ein großes Schweigen. Er weigert sich, im Parlament Stellung zu nehmen. Beantwortet auch keine Fragen der Medienvertreter.

 Beantwortet keine Frage: Mariano Rajoy.

Beantwortet keine Frage: Mariano Rajoy.

Foto: dpa

Wenn die Vorwürfe stimmen, die Rajoys früherer Vertrauter und PP-Schatzmeister Luis Bárcenas erhebt, dann waren in Spaniens Volkspartei Korruption, illegale Finanzierung und Schwarzgeldzahlungen an die Parteiführer jahrelang an der Tagesordnung. Ein Skandal, der die Glaubwürdigkeit der konservativen Regierung, welche den Bürgern des Euro-Krisenlandes derzeit einen Sparkurs mit immer mehr Kürzungen und Steuern verordnet, heftig erschüttert. Und in dessen Zentrum nun Parteichef Rajoy steht, der laut Bárcenas alles gewusst, vertuscht und sich auch selbst bereichert haben soll.

Rajoys Verteidigungsstrategie zielt bisher darauf, den früheren PP-Schatzmeister Bárcenas als Alleintäter darzustellen. Bárcenas, der wegen der Vorwürfe der Bestechlichkeit sowie Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft sitzt und in Finanzparadiesen bis zu 50 Millionen Euro gebunkert hatte, sei ein "Lügner" und ein "Verbrecher", feuert die Parteiführung aus allen Rohren. Bárcenas scheint nun in der Partei zum Abschuss freigegeben - freilich erst, seit er zu singen begann.

Früher wurde noch mit diskreteren Waffen gekämpft, um weiteres Unheil abzuwenden: Rajoy und seine Parteianwälte sollen monatelang versucht haben, Bárcenas zum Schweigen zu bringen. Mit Geld, mit Amnestieversprechen, mit Drohungen, wie die Zeitung "El Mundo" veröffentlichte. "Wenn du auspackst, wird auch deine Frau ins Gefängnis gehen", soll Bárcenas übermittelt worden sein. Das bürgerliche Blatt veröffentlichte zudem ziemlich eindeutige telefonische Kurznachrichten zwischen Luis Bárcenas und Mariano Rajoy. Diese legen nahe, dass Spaniens Regierungschef persönlich versucht hatte, den Finanz- und Korruptionsskandal unter der Decke zu halten. "Luis, wir tun, was wir können", lautete eine SMS von Rajoy an Bárcenas, als dieser von der Justiz immer weiter in die Enge getrieben wurde.

Inzwischen hat Bárcenas dem Untersuchungsrichter Dokumente übergeben, die beweisen sollen, dass nicht er der "Lügner" ist, sondern möglicherweise Rajoy nicht durchweg die Wahrheit sagt. Unter dem Belastungsmaterial befinden sich die geheime Buchhaltung der Partei sowie Belege über jene geheime "schwarze Kasse", mit der angeblich illegal Wahlkämpfe und hohe "Extrazahlungen" an Rajoy und weitere Parteiführer finanziert wurden.

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