SPD-Kanzlerkandidaten "Das Problem ist größer als Steinbrück"

Berlin · Es gibt im Berliner Politiker-Leben einen Lehrsatz: "Reichtum kommt mit dem Ruhestand." Peer Steinbrück hat sich früh mit der Aussage angefreundet.

 Im Mittelpunkt der Debatte: Peer Steinbrück am Sonntagabend bei Günther Jauch.

Im Mittelpunkt der Debatte: Peer Steinbrück am Sonntagabend bei Günther Jauch.

Foto: ap

Rhetorisch brillant und mit der seltenen Gabe ausgestattet, aus dem Stand messerscharf zu formulieren, ist er ein Idealtypus von einem Politiker, der sich - und bei Auftritten auch das jeweils einladende Unternehmen - im hellsten Glanz zu präsentieren weiß.

Andere Länder schütteln über die deutsche Debatte nur mit dem Kopf. In den USA beispielsweise kostet die Rede-Dreiviertelstunde mit Ex-Präsident Bush zurzeit etwa 150.000 Dollar. Bill Clinton hat für Auftritte einen pauschalen Preis von 350.000 Dollar. Seit dem Ende seiner Amtszeit 2001 soll er im Durchschnitt vier Million Dollar pro Jahr für seine Auftritte kassieren.

Das entspricht etwa dem zwölffachen des jährlichen Präsidenten-Gehalts. Da hinkt Deutschland weit hinter anderen Ländern her. Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Grüne) wird mit einer brancheninternen Rekordsumme von 50 000 Euro für einen Auftritt gehandelt.

Seinem früheren Chef, Gerhard Schröder, winken sechsstellige Summen pro Auftritt. Die Debatte um das Politiker-Verhalten ist nicht neu. So entbrannte ein wuchtiger Streit um die Vortrags-Häufigkeit des damaligen FDP-Chefs und Bundesaußenministers Guido Westerwelle.

Damals ging es um 36 bezahlte Redeauftritte vor Wirtschaftsverbänden, Banken und Versicherungen. Westerwelle hatte formal korrekt abrechnen lassen. Der frühere Arbeitsminister Walter Riester verzeichnete bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 50 Auftritte, die primär der Information der Öffentlichkeit über die nach dem SPD-Politiker benannte Rente dienten. Riester soll dafür pro Abend über 7000 Euro erhalten haben.

Detailliert lässt sich das nicht rekonstruieren, da bei der Neuregelung der Nebentätigkeiten ein Drei-Stufen-System gilt: Zwischen 1000 und 3500 gilt Stufe 1; zwischen 3500 und 7000 Euro liegt Stufe 2 und alles, was über 7000 Euro an Honoraren anfällt, gehört zu Stufe 3.

Die SPD will jetzt eine Gesetzesinitiative starten, um die Voraussetzungen für den transparenteren Abgeordneten zu schaffen. Unterstützung erhält dieses Anliegen von Seiten der Anti-Korruptionsinitiativen. Für den Geschäftsführer von "Transparency Deutschland", Christian Humborg, kommt das alles zu spät: Dem General-Anzeiger sagte er; "Wir fordern schon seit Jahren eine Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Heller und Pfennig".

Die notwendige Transparenz müsse zudem für alle Abgeordneten gelten. Ulrich Müller von "Lobby Control" meinte, "das Problem ist größer als Steinbrück. Auch für die Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag soll sich etwas ändern, wenn es nach den Grünen geht. Der Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen forderte am Montag, alle Einkünfte, die über eine Minimalgrenze hinausgehen, sollten öffentlich gemacht werden und zum Beispiel auf der Internetseite des Landtags zu sehen sein.

Für Steinbrück, den 65-jährigen Hanseaten und Herausforder der Amtsinhaberin Angela Merkel, ist es zwar keine Neuigkeit, innerparteilich die Pfeile auf sich zu ziehen. Aber spätestens mit seinem Auftritt bei Günther Jauch am Sonntagabend hat er gezeigt, dass ihn der missglückte Start in die Kanzlerkandidatur ärgert.

Er hat gelernt, dass er einen weiteren Konflikt entfacht hat. Über die Generalsekretärin Andrea Nahles, die formell Wahlkampfleiterin der Bundes-SPD werden soll, hatte er gesagt: "Das Leben ohne Nahles ist genauso reich wie mit ihr." Stein brück entschuldigte sich für diese Äußerung. Nahles nahm an.

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