Debatte über Konsequenzen aus Organspende-Skandal

Berlin · Angesichts des immer weitere Kreise ziehenden Organspende-Skandals schließt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) weitergehende Gesetzesänderungen nicht aus.

 Logo des Transplantationszentrums Göttingen: Hier soll ein ehemaliger Oberarzt in mehreren Fällen Krankendaten manipuliert haben. Foto: Julian Stratenschulte

Logo des Transplantationszentrums Göttingen: Hier soll ein ehemaliger Oberarzt in mehreren Fällen Krankendaten manipuliert haben. Foto: Julian Stratenschulte

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"Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass Lücken im Gesetz die Manipulationen in Regensburg und Göttingen erleichtert oder begünstigt haben, müssen wir handeln", sagte Bahr den "Ruhr Nachrichten" (Dortmund/Montagsausgabe). Die neue Rechtslage garantiere bereits mehr Transparenz. Dadurch sei es jetzt möglich, die Überwachungsmaßnahmen durch mehr Kontrollen zu verschärfen und Rechtsverstöße einzelner Ärzte zu verfolgen, meinte Bahr.

Über weitere Konsequenzen aus dem Organspende-Skandal will Bahr parteiübergreifend beraten. "Mir geht es jetzt darum, alle Beteiligten in die Überlegungen einzubeziehen", sagte Bahr. Diese Vorgehensweise habe sich bereits beim neuen Transplantationsgesetz bewährt.

Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) warnte vor einer übereilten Strafverschärfung. Bevor darüber oder über eine neuerliche Änderung des Transplantationsgesetzes nachgedacht wird, will Heubisch zunächst die Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und des Regensburger Uniklinikums abwarten, wie sein Sprecher am Samstag auf Anfrage sagte. "Jetzt drastische Maßnahmen zu fordern, fällt leicht", sagte der Sprecher. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hatte am Freitag harte Strafen verlangt und eine Gesetzesänderung ins Gespräch gebracht.

Anfang der Woche will Heubisch die Transplantationszentren der bayerischen Universitätskliniken zu einem Gespräch einladen, um auszuloten, wie Missbrauch künftig besser verhindert werden kann. Der Fall war ins Rollen gekommen, weil ein Oberarzt im Göttinger Uniklinikum die Daten von Patienten, die auf der Warteliste für Spenderorgane stehen, manipuliert haben soll. Dieser Arzt hatte zuvor von 2003 bis 2008 am Regensburger Klinikum gearbeitet und war dort ebenfalls für Transplantationen zuständig.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte unterdessen die Bundesärztekammer und die bayerische Landesärztekammer. Im "Handelsblatt" (Montag) warf er ihnen vor, ihre Instrumente nicht genutzt zu haben. "Es ist zwar nicht so einfach, einem Arzt die Approbation zu entziehen. Angesichts der Schwere der Vorwürfe wäre die zuständige Landesbehörde einer entsprechenden Forderung aber wohl gefolgt", sagte er dem Blatt. Kritik übte Lauterbach am Umgang des Wissenschaftsministeriums in Bayern mit einem Bericht der Ärztekammer. "Die Vorwürfe waren für solche Berichte fast ungewöhnlich klar formuliert und so schwerwiegend, dass beim Ministerium alle Alarmglocken hätten schrillen müssen."

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" waren der beurlaubte Chirurgie-Chef des Universitätsklinikums Regensburg und der Hauptverdächtige im Organspende-Skandal seit Jahren sehr vertraut. Die beiden Ärzte hatten sich demnach bereits Mitte der 1990er Jahre an der Medizinischen Hochschule Hannover kennengelernt. Als der Chefarzt in Regensburg den Lehrstuhl für Chirurgie übernahm, habe er den Oberarzt in seine Abteilung geholt. Beide seien von da an häufiger ins arabische Ausland geflogen, um dort zu transplantieren.

Nach Angaben des Regensburger Uniklinikums waren vor sieben Jahren jordanische Patienten illegal auf die Warteliste für europäische Transplantationspatienten gelangt. Außerdem hatte der als Hauptverdächtiger geltende Oberarzt ohne Genehmigung eine Leber in Jordanien verpflanzt. Der Arzt, der seit November vom Dienst suspendiert ist, bestreitet nach Angaben der Göttinger Klinik die Vorwürfe.

Laut "Süddeutscher Zeitung" hatte der Chefarzt in Regensburg die bis dahin schleppend verlaufene Karriere des Oberarztes in Gang gebracht. Dieser habe im Alter von 37 Jahren bei ihm promoviert. Auch nach dem Weggang des Oberarztes nach Göttingen hätten die Beiden noch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten miteinander publiziert.

Der Chefarzt habe sogar der Ehefrau des Oberarztes zur Doktorwürde verholfen, schreibt die Zeitung weiter. Die Zahnärztin habe bei ihm über Behandlungsmöglichkeiten bei Leberkrebs promoviert.

Als Konsequenz aus dem Vorfall war der Direktor der chirurgischen Klinik in Regensburg, Professor Hans J. Schlitt, vor wenigen Tagen mit sofortiger Wirkung beurlaubt worden. Schlitt ist laut Heubisch keiner Manipulationen verdächtig, hat aber möglicherweise bei der Kontrolle des Oberarzts versagt. Nach einem Bericht des Magazins "Focus" hatte Schlitt die mutmaßlichen Manipulationen seines ehemaligen Oberarztes heruntergespielt. Noch Ende Juli habe Schlitt dem Bericht zufolge Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie versichert, nur in einem einzigen Fall einer jordanischen Patientin sei es zu einem Fehler bei der Meldung des Wohnorts gekommen.

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