Zurück zum Zitronenfalter Delegiertentreffen der Grünen

Berlin · Die Grünen besinnen sich auf ihren Markenkern Klima und Umwelt. Und sie wollen im Bund mitregieren – fast egal mit wem.

Die Grünen müssen Donald Trump fast dankbar sein. Bei ihrem Parteitreffen mit 800 Delegierten in Berlin wird der ungeliebte US-Präsident zum neuen Feindbild Nummer eins und weckt den Kampfgeist der zuletzt blass wirkenden Öko-Partei. Die Grünen besinnen sich auf ihren Markenkern Klima und Umwelt. Und sie wollen im Bund mitregieren – fast egal mit wem.

Dass sie bei zurzeit nur sieben Prozent in den Umfragen schon fast um den Wiedereinzug in den Bundestag fürchten müssen, soll sie dabei nicht aufhalten. Zuletzt hielten 57 Prozent der Befragten die Grünen für bedeutungslos. Die Spitzenkandidaten stehen im Berliner Velodrom vor der schwierigen Aufgabe, den Grünen ein gefälliges Programm schmackhaft zu machen, das Koalitionen nicht von vorn herein unmöglich macht, die grüne Basis aber auch nicht völlig verprellt.

Das gelingt. Einziger Ausrutscher, der die Laune gleich zu Beginn des Parteitags etwas dämpft: Canan Bayram, Kandidatin der Grünen in Berlin-Kreuzberg, erzählt, eine Rentnerin habe ihr gesagt, die beiden Spitzenkandidaten erinnerten „weniger an Grüne als an Ortsvereinsvorsitzende der CDU.“ Gar nicht wenige Delegierte applaudieren dazu.

Die Auftritte der grünen Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt wirken da wie eine Trotzreaktion. Die Delegierten jubeln, als Göring-Eckardt im roten Kleid und mit rund hundert neuen Mitgliedern im Gefolge auf die Bühne marschiert. Die Neuen stehen während ihrer Rede hinter ihr, eine Kulisse mit klarer Botschaft: Seht her, uns gibt es noch. Ein projiziertes Foto des Planeten Erde aus dem All macht das Bild komplett. Der amerikanische Präsident, sagt Göring-Eckardt, „ist gegen die Erde in den Ring gestiegen“, indem er den Klimavertrag von Paris aufgekündigt hat. Den Kampf nähmen die Grünen an. „Hier in Deutschland sind wir die Speerspitze der Bewegung.“ Fehler der Wahlen, bei denen die Grünen mit Steuerkonzepten und Veggie-Day-Debatte nur auf 8,4 Prozent kamen, sollen diesmal nicht passieren. Zurück zum Markenkern, heißt die Devise. Die Grünen, stellt Göring-Eckardt klar, sind noch immer die Partei, die sich um Bienen, Kiebitze und Zitronenfalter kümmert. „Die 20 dreckigsten Kohlekraftwerksblöcke schalten wir sofort ab. Dafür stehe ich persönlich ein“, verspricht sie. Die Spitzenkandidatin beschreibt die Grünen als „letzte Mohikaner der Willkommenskultur“ und „die letzten Mohikaner des freiheitlichen Rechtsstaates“. Bei der Bundestagswahl will sie ihre Partei auf „Platz drei“ sehen und die große Koalition ablösen. In welcher Regierungskoalition, lässt sie aber offen. „Wir können es schaffen. Mit wem auch immer.“ Selbst Göring-Eckardts Kritiker stehen nach der Rede auf und klatschen.

Auch Cem Özdemir hat beim Parteitag einen seiner besten Auftritte. Zum Auftakt schärft er sein Profil als Außenpolitiker. Die Grünen müssten „Neugründer eines solidarischen, starken und vereinten Europas werden“. Angela Merkels Regierung wirft er „schulmeisterlichen Drill“ der europäischen Partner, Arroganz und Überheblichkeit vor. Özdemir gibt sich als staatsmännischer Realpolitiker. Es sei „ein Ammenmärchen“, dass die Grünen ein Problem mit der Polizei hätten. Islamismus will er bekämpfen, indem „kein Cent mehr aus den Golfstaaten für Moscheen in Deutschland und der EU“ kommen darf. „Bei einem Innenminister Özdemir würden Salafisten und Rechtsradikale sich CDU und CSU zurückwünschen“, ruft Özdemir den Delegierten zu. Soviel Selbstbewusstsein kommt an.

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