Kommentar zum europäischen Asylrecht Der neue Weg

Meinung · Eine Reform des Asylrechts in Europa ist überfällig. Ob der radikale Vorschlag der EU-Kommission Chancen hat, ist aber mehr als offen.

 Blick auf den sogenannten Hotspot für Flüchtlinge auf Lesbos.

Blick auf den sogenannten Hotspot für Flüchtlinge auf Lesbos.

Foto: dpa

Das europäische Asylrecht ist gescheitert. Der Versuch, die Verantwortung für Flüchtlinge an die Randstaaten der Union zu verlagern, hat die unhaltbaren Zustände wie in dem Lager Idomeni geschaffen. Die Kritik an dem System geht an alle Beteiligten: Einige Mitgliedsländer der EU winkten die Migranten einfach durch und verschoben das Problem damit. Andere wiederum weigerten sich, die Hilfesuchenden aufzunehmen und Solidarität mit jenen zu zeigen, die Asylbewerber im großen Stil akzeptierten. Und dann gab es noch jene, die in einen makabren Wettbewerb um die möglichst unmenschlichste Behandlung der Flüchtlinge traten, um diese abzuschrecken.

Die nun bekanntgewordenen Auszüge des neuen Kommissionsvorschlags tragen dem Rechnung. Damit wäre nicht nur die Europäisierung der Verantwortung erreicht, sondern auch der Versuch, zu einem gerechteren System zu kommen – für alle Seiten.

Doch ein gutes Asylrecht muss realisierbar sein. Und spätestens an diesem Punkt stellt sich Skepsis ein. Ohne die Bereitschaft aller EU-Länder, die zugewiesenen Migranten auch aufzunehmen, dürfte der Vorstoß nur wenig wert sein.

Und da sieht es dann tatsächlich düster aus. Wie man die heutigen Widerständler bekehren und für ein solch neues System gewinnen will, ist nicht erkennbar. Es sei denn, man findet einen in Europa nicht unüblichen Weg aus Druck und verlockenden Versprechungen. Absehbar scheint auch, dass einige Regierungen im Osten der Union wie Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei, die schon bisher die Aufnahme von Flüchtlingen ablehnen, diesen Vorschlag kaum begrüßen dürften. Das Dublin-Verfahren war nicht dazu geschaffen, eine Teilung von Verantwortung für Asylsuchende in der EU sicherzustellen.

Dabei scheint die Brüsseler Kommission dieses Mal ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Die Zentralisierung der Asylverfahren bei einer EU-Behörde würde nicht nur für eine angemessene Verteilung auf die Mitgliedstaaten entsprechend ihrer wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten sorgen. In der Gemeinschaft könnten Asylverfahren endlich auch nach gleichen Maßstäben und Kriterien ablaufen. Denn bis heute gibt es ja nicht einmal Einigkeit darüber, welche Länder als sichere Drittstaaten gelten sollen.

Die einheitliche Registrierung und Erfassung von Zuwanderung, ihre sofortige Unterscheidung in illegale Zuwanderer und legale Asylsuchende braucht aber auch einen weiteren Schritt: die konsequente Durchführung von Abschiebungen. Spätestens da wird klar, wie vielschichtig und kompliziert der neue Vorschlag in der Praxis ist. Denn die Polizeibehörden der Mitgliedstaaten müssten exekutieren, was die zentrale Asylbehörde entscheidet.

Der EU stehen Diskussionen bevor. Aber der eingeschlagene Weg erscheint richtig.

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