Portrait Paul Ryan Der republikanische Kandidat für die US-Vizepräsidentschaft spaltet die Gemüter

WASHINGTON · Zentraler Bestandteil der Stellenbeschreibung des amerikanischen Vizepräsidenten ist es, im Krisen- oder Todesfall über Nacht den Job des Chefs zu übernehmen. Ob Paul Ryan dieser Aufgabe gewachsen wäre, darüber gehen die Ansichten nach der Fernsehdebatte mit dem amtierenden "VP" Joe Biden selbst im Republikaner-Lager weiter auseinander.

 Hobby-Jäger Paul Ryan.

Hobby-Jäger Paul Ryan.

Foto: ap

Den einen gilt der 42-Jährige als kommender Star der "Grand Old Party". Ältere Semester sehen in dem Hobby-Jäger einen weltunerfahrenen, kompromisslosen Radikalen mit Tunnelblick, der den Staat bis zur Unkenntlichkeit kleinsparen möchte. Maureen Dowd, Kolumnistin der "New York Times", bescheinigt Ryan eine "frohgemute Messdiener-Aura".

Tatsächlich sei er "die hübscheste Verpackung, die Grausamkeit je hatte". Der Rechtsanwalts-Sohn, geboren am 29. Januar 1970, stammt aus einem irisch-katholischen Familien-Clan, der seit Jahrzehnten in Janesville/Wisconsin den Ton angibt. Sein Ur-Großvater Patrick startete 1884 mit Eseln eine Firma, die Bahngleise verlegte.

Heute ist Ryan Inc. eines der landesweit größten Tiefbau-Unternehmen. Die knapp 65.000 Einwohner zählende Kleinstadt im Südosten des Bundesstaates ist seit Geburt Heimat des Politik- und Wirtschaftswissenschaftlers, der mit 19 als Praktikant des konservativen Senators Jack Kemp auf Capitol Hill anfing und im Alter von 28 Jahren zum ersten Mal in den Kongress in Washington gewählt wurde.

Ryans privates Schlüsselerlebnis: Er fand als 16-Jähriger seinen Vater tot im Bett vor - Herzinfarkt. "Ich musste mich entscheiden", beschrieb der mit der Steuer-Anwältin Janna Little verheiratete Hard-Rock-Fan und dreifache Vater seine damalige Seelenlage: "Entweder gehe ich unter in diesem Leben. Oder ich schwimme."

Obwohl seit bald 15 Jahren in der völlig verrufenen politischen Schlangengrube Washingtons bestens vernetzt und an vielen politischen Weichenstellungen aktiv beteiligt, präsentiert sich der drahtige Ausdauersportler, der jeden Morgen ein knochenhartes Trainingsprogramm absolviert, als Outsider, der nach eigenen Worten "das gesunde Menschenempfinden vertritt".

Als Vorsitzender des Haushalts-Ausschusses gehört Ryan seit Jahren zu den ideologischen Scharfmachern der Republikaner. Tea-Party-Aktivisten sind seine Cheerleader. Ryans Programmatik ist den Fiskal-Konservativen eine Bibel. Er will die staatliche Krankenversicherung (Medicare) für alle, die jünger als 55 Jahre sind, privatisieren.

Das bundesstaatliche Gesundheits-Programm für Arme (Medicaid) soll aufgelöst werden. Seit Präsidentschaftskandidat Mitt Romney in der ersten TV-Debatte massiv in die politische Mitte rudert und eigene Versprechen mit sozialer Sprengkraft ausblendet oder leugnet, ist es um Ryan ruhiger geworden.

Leitsterne seines politischen Denkens sind Wirtschafts-Liberale wie Friedrich Hayek und Milton Friedman. Ayn Rand, die in ihrem Standard-Werk "Atlas Shrugged" 1957 den Staat als Wurzel allen Übels bezeichnete, ist sein "ganz persönlicher Star".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Falsche Zeichen
Kommentar zum Treffen von Steinmeier mit Erdogan Falsche Zeichen
Aus dem Ressort