Meinung zur rechtsextremen Gewalt in den USA Der Terror von innen

Meinung | Washington · Eine rechtsextreme Kundgebung artet in den USA in Gewalt aus, es gibt eine Tote und viele Verletzte. Präsident Trump wird vorgeworfen, dass er die Schuldigen nicht beim Namen nennt.

 US-Präsident Donald Trump nach seiner Erklärung zur Situation in Charlottesville.

US-Präsident Donald Trump nach seiner Erklärung zur Situation in Charlottesville.

Foto: AP

In Krisensituationen suchen Amerikaner traditionell Halt bei ihren Präsidenten. Bei Donald Trump greifen sie ins Leere. Sein hohl und verharmlosend wirkender Aufruf zur nationalen Einheit nach der Tragödie von Charlottesville hat auf besonders bedrückende Weise deutlich gemacht, woran es ihm mangelt: Verantwortungsbewusstsein, moralische Klarheit, Fähigkeit zur Selbstkritik.

Besäße er diese Tugenden, dann hätte Trump sich längst in einer Live-Ansprache an die Nation kraftvoll von dem rassistischen und antisemitischen Mob distanziert, der unter dem Vorwand, ein Reiterdenkmal aus dem Bürgerkrieg schützen zu wollen, sein gesellschaftszersetzendes Gift verspritzt hat. Besäße er diese Tugenden, dann hätte Trump sein Mitverschulden am Erstarken jener eingeräumt, die in Amerika die Uhren ins 19. Jahrhundert zurückdrehen wollen: Vorfahrt für Weiße, Amerika über alles.

Zu dieser Reue ist Trump aber selbst nicht fähig, wenn ein Mensch stirbt, weil ein Rechtsradikaler mit Absicht Menschen über den Haufen fährt. Trump ist auf dem rechten Auge blind. Er hat, auch hier, weder Anstand noch Kompass. Trump hat die radikale Rechte aus der Schmuddelecke in den politischen Mainstream geholt. Sein dröhnendes Schweigen zu vielen Hassverbrechen von Neonazis und grassierender Gewalt gegen Minderheiten – erst vor einer Woche ignorierte er einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Minnesota – hat die Neu-Ewiggestrigen ermutigt und revitalisiert. Rechtsextreme Hetzer fühlten sich schon im Wahlkampf von Trumps ressentimentgetriebener Politik gegen Behinderte, Schwule und Lesben, Mexikaner, Muslime und alles, was irgendwie mit Obama sympathisiert, ermutigt. Sich von diesem Ungeist glaubwürdig abzusetzen, geriet Trump regelmäßig zur peinlichen Verrenkung. Trump weigert sich nicht nur, das hässliche Kind beim Namen zu nennen: weißer Rechtsextremismus. Er stellt die Gewalt von rechts und links auf eine Stufe. Da gehört sie, nach allem, was anerkannte Statistiken nahelegen, nicht hin.

Amerika hat ein von laxen Waffengesetzen und überdehnter Meinungsfreiheit begünstigtes veritables Problem mit Inlandsterrorismus von rechts, über das Trump anders als über die islamistische Spielart nie redet. Kein Wunder. Mit Sebastian Gorka und Stephen Miller hat Trump zwei Männer in seinem engsten Umfeld als rhetorische Zuschläger installiert, bei denen „White Supremacists“, den selbst ernannten Kämpfern für die Vorherrschaft der weißen Rasse, regelmäßig das Herz übergeht. Von der Galionsfigur Stephen Bannon, der vor seinem Einzug ins Weiße Haus das Propagandaportal Breitbart zur Andockstelle für Konsumenten rassistischer und antisemitische Hetze gemacht hat, ganz zu schweigen.

Wenn Charlottesville eines bewiesen hat, dann das: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

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