Juan Carlos dankt ab Der tiefe Fall des Bürgerkönigs

MADRID · Es war sichtlich die schwerste Ansprache, die der spanische König jemals an das Volk gerichtet hat: "Ich habe entschieden, meine Regentschaft zu beenden und abzudanken", erklärte ein bewegter König Juan Carlos per TV den Spaniern.

 Aus dem Leben eines Königs: Juan Carlos nach der Krönungsmesse im November 1975 mit Ehefrau Sofía und Sohn Felipe.

Aus dem Leben eines Königs: Juan Carlos nach der Krönungsmesse im November 1975 mit Ehefrau Sofía und Sohn Felipe.

Foto: dpa

Der 76-jährige, der nach einer Reihe von Hüft- und Knieoperationen am Stock geht, saß im mausgrauen Anzug hinter seinem Schreibtisch. Mit feuchten Augen und unruhigen Händen, die er immer wieder ineinander verschränkte, um sie nicht zittern zu lassen.

"Heute verdient eine jüngere Generation, in erster Reihe zu stehen und jene Reformen voranzubringen, welche diese Zeit erfordern", nuschelte Juan Carlos. Sein 46-jähriger Sohn Felipe sei ein gut vorbereiteter und würdiger Nachfolger. Und: "Ich habe immer das Beste für Spanien gewollt." Dann folgte die spanische Nationalhymne.

Es war mittags gegen 13 Uhr, Spaniens 46 Millionen Bürger hielten den Atem an, Radio- und Fernsehgeräte waren überall voll aufgedreht. Die Nation war Stunden zuvor gewarnt worden: Denn ein bitterernst ausschauender Regierungschef, der konservative Mariano Rajoy, hatte die Bombe bereits am Vormittag platzen lassen. Und dem überraschten Volk mitgeteilt, "dass dies der beste Zeitpunkt sei, damit die Thronfolge mit völliger Normalität erfolgen kann". Die Ernennung Felipes werde schon in "in Kürze" geschehen, einen konkreten Zeitpunkt nannte er nicht.

"Ich wollte der König aller Spanier sein", sagte Juan Carlos in seiner Abschiedsrede. Doch die goldenen Zeiten des einst so volksnahen Monarchen, der deswegen einmal als "Bürgerkönig" galt, sind schon länger vorbei. Nach 39 Jahren auf dem Thron wackelte das Denkmal des Königs erheblich. Laut Umfragen wünschte sich die große Mehrheit der Spanier, dass sich der König endlich aufs Altenteil zurückzieht.

In den letzten Jahren produzierte Juan Carlos vor allem mit Stolperunfällen, Krankenhausaufenthalten und mutmaßlichen Liebesaffären Schlagzeilen. Das Bild eines Königs, der nur noch mit Krücke laufen konnte, schien symptomatisch für das wankende Königshaus. "Eine Monarchie am Stock", titelten die Medien. Spätestens jener Luxus-Jagdausflug ins afrikanische Botswana, wo Ihre Hoheit im Frühjahr 2012 auf Elefanten anlegte, öffnete der spanischen Öffentlichkeit die Augen. Eine Safari, wo sich der König nicht nur die Hüfte brach, sondern auch mit seiner "amiga ", der 26 Jahre jüngeren Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein, erwischt wurde.

Und das auf dem Höhepunkt der spanischen Finanz- und Wirtschaftskrise mit Millionen Arbeitslosen und Familien, die den Gürtel immer enger schnallen mussten. Die Empörung im Krisenstaat Spanien war so groß, dass Juan Carlos sich genötigt sah, öffentlich Abbitte zu leisten. Er musste auch Königin Sofía um Verzeihung bitten. Diese war so wütend auf ihren Gemahl, dass sie nach seinem Sturz und Rettungsflug nach Spanien erstmal keine Lust hatte, ihn im Krankenhaus zu besuchen. Die Ehe zwischen den beiden gilt als zerrüttet - die goldene Hochzeit 2012 fiel aus.

Genauso brachten die Korruptionsvorwürfe gegen den königlichen Schwiegersohn Iñaki Urdangarin die Fundamente der Monarchie ins Wanken. Urdangarin, Ehemann der zweitältesten Königstochter Cristina, wird beschuldigt, jahrelang öffentliche Gelder in Millionenhöhe ergaunert und Steuern hinterzogen zu haben. Er muss sich vermutlich demnächst vor Gericht verantworten. Auch Prinzessin Cristina soll in die krummen Geschäfte verwickelt sein.

Unumstritten bleibt freilich ist Juan Carlos' Verdienst in der Vergangenheit: Vor allem den älteren Menschen ist der König als jener Mann in Erinnerung, der Spanien von der Diktatur, die 1975 nach dem Tod von General Franco zu Ende ging, zur Demokratie steuerte. Franco hatte Juan Carlos schon 1969 zum Nachfolger als Staatschef bestimmt. Die älteren Spanier haben auch nicht vergessen, wie Juan Carlos am 23. Februar 1981 einen Putschversuch rechter Militärs stoppte.

Vor allem unter den jungen Spaniern steigt derweil die Zahl jener, die sich ein Land ohne König und mit einem gewählten Staatschef vorstellen können. Den Umfragen zufolge kann sich die Monarchie in Spanien nicht einmal mehr sicher sein, noch die Mehrheit der Bürger hinter sich zu haben. Spaniens Königshaus steuert also auch mit dem künftigen König Felipe VI. auf ungewisse Zeiten zu.

Reaktionen

Angela Merkel, Bundeskanzlerin, hob hervor, der spanische König habe eine sehr wichtige Rolle für den Übergang Spaniens in eine Demokratie gespielt. Zu den deutsch-spanischen Beziehungen habe er "einen unglaublich wichtigen Beitrag geleistet".

François Hollande, französischer Präsident, würdigte ebenso die Rolle des Königs für den Demokratieprozess in Spanien nach der Franco-Diktatur. Juan Carlos habe einen entscheidenden Anteil an der Geburt der Demokratie dort.

Carl XVI. Gustaf, schwedischer König, dankte dem scheidenden spanischen Amtskollegen für die gute Zusammenarbeit. Juan Carlos habe einen großen Beitrag zur Entwicklung des spanischen Staates geleistet.

In Großbritannien wird sich Königin Elizabeth II. nach Ansicht eines Kenners des britischen Königshauses kein Vorbild an Spaniens König Juan Carlos nehmen. Die Queen werde ihr Versprechen einlösen und bis zu ihrem Tod Monarchin bleiben, sagte der Biograf Hugo Vickers. Premierminister David Cameron pries den König als "großen Freund des Vereinigten Königreichs" und würdigte seine Leistung beim Übergang Spaniens zur Demokratie.

Rafael Nadal, Tennis-Weltranglisten-Erster aus Mallorca, zeigte sich nach seinem Viertelfinal-Einzug bei den French Open bewegt: "Ich hatte das Glück, ihn persönlich kennenzulernen. Er ist ein sehr freundlicher, nahbarer Mensch. Ich möchte ihm für alles danken, was er getan hat. Er hat immer versucht, das Maximum für unser Land zu erreichen."

Ferran Adrià, spanischer Starkoch, meinte: "Die Abdankung des Königs ist sehr gesund. Das Kronprinzenpaar kann die Zukunft nun in Ruhe vorbereiten."

José Manuel Barroso, EU-Kommissionschef, nannte Juan Carlos einen "Beschützer" der europäischen Ausrichtung Spaniens.

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