Interview mit Norbert Röttgen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses zu Russland

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, fordert harte Schritte gegen Russland. Mit dem CDU-Politiker sprach Holger Möhle.

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist seit der NSA-Affäre belastet. So bizarr es klingen mag, aber kommt die Krise mit Russland nicht gerade recht, um jetzt neue transatlantische Einigkeit zu demonstrieren?
Norbert Röttgen: Diese Krise ist so bedrohlich, dass sie sich wirklich keiner wünschen kann. Aber es ist meine Überzeugung, dass die Verletzung des internationalen Rechts den Westen insgesamt herausfordert - die Europäische Union und die Amerikaner. Darum ist diese Krise auch eine Schicksalsfrage für die transatlantische Gemeinschaft und ich bin sehr positiv, dass wir geschlossen gemeinsam diese Krise meistern werden.

Ist es nicht höchste Zeit, dass die Bundeskanzlerin und der US-Präsident jetzt Sanktionen einfordern und im Kreis der G7 auch beschließen, die Russland wirklich treffen?
Röttgen: Die Taten von Wladimir Putin sprechen eine so klare Sprache, dass auch der Westen in seiner Botschaft klarer werden muss. Ich finde, die Zeit ist reif, dass wir fühlsame Sanktionen für Putin beschließen. Der Westen läuft sonst Gefahr, bei Putin falsche Vorstellungen darüber zu erzeugen, wie ernst wir diese Krise nehmen.

[kein Linktext vorhanden]Muss die Nato von ihrem Gipfelbeschluss 2008 abrücken, in dem das Bündnis die Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens ankündigt?
Röttgen: Meiner Meinung nach steht eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens richtigerweise nicht auf der Tagesordnung. Dennoch muss darüber nachgedacht werden, wie wir in Zukunft die Sicherheit in unserer Nachbarschaft gewähren können.

Der Ärger über die massenhafte Datenabschöpfung der NSA ist so groß, dass auch ein Aussetzen der Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) im Gespräch war. Wären die USA damit zu beeindrucken?
Röttgen: Wir müssen niemanden beeindrucken. Ich hätte es auch für falsch gehalten, TTIP als Geisel für das NSA-Thema zu nutzen. Wir müssen vielmehr mit Ausdauer Änderungen in der Praxis der NSA im Ausland bei der USA anmahnen und einfordern. Gleichzeitig darf dieses Thema nicht unser ganzes Verhältnis bestimmen. Das Freihandelsabkommen ist eine große Chance für die Verbraucher in unserem Land und würde viele neue Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig ist es ein Symbol für einen transatlantischen Schulterschluss, der unsere Kooperation in vielen wichtigen Bereichen der internationalen Politik untermauert.

"Abhören unter Freunden - das geht gar nicht", hat die Kanzlerin gesagt. Was müssen die US-Dienste in Deutschland zur Wiederherstellung von Vertrauen künftig unbedingt lassen und womit ist als unvermeidliches Werk der Nachrichtendienste weiter zu rechnen?
Röttgen: Um mit letztem anzufangen, wir brauchen Nachrichtendienste, die effektiv arbeiten. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheit unserer Bürger. Aber auch Geheimdienste müssen das Maß wahren und genau hieran fehlt es bei der Auslandsaktivität der NSA.

Haben Sie noch die ehrliche Erwartung, dass die US-Dienste den gesamten Fragekatalog der Bundesregierung wirklich beantwortet? Die Liste liegt den Amerikanern seit fast einem Jahr vor.
Röttgen: Ich kann Ihnen nicht den Stand der Beantwortung von Fragelisten mitteilen. Es findet aber ein intensiver Dialog nicht nur auf Regierungsebene, sondern auch auf anderen Ebenen und über viele andere Kanäle statt.

Sehen die USA Deutschland auf der Ebene der Geheimdienste überhaupt als vollwertigen Partner?
Röttgen: Deutschland ist und bleibt für die USA ein vollwertiger Partner auf der Ebene der Geheimdienste. Unsere Dienste leisten wertvolle Arbeit. Auch wenn ein gleichwertiges Geben-und-Nehmen nicht immer zu erwarten ist, müssen wir jedoch versichern, dass die Grundrechte unserer Bürger respektiert werden.

An einem "No spy"-Abkommen mit Deutschland haben die Amerikaner erkennbar kein Interesse. Was kann die Bundeskanzlerin in den USA realistisch erreichen?
Röttgen: Ich plädiere dafür, dass wir nicht zu hohe Erwartungen haben sollten. Wir müssen hier ein dickes Brett bohren.

Zur Person

Norbert Röttgen galt lange als politischer Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach der Bundestagswahl 2009 und nach Bildung der schwarz-gelben Koalition berief Merkel den heute 48 Jahre alten promovierten Juristen aus dem Rhein-Sieg-Kreis zum Bundesumweltminister - nach Röttgens eigenen Angaben sein Wunschressort.

Der CDU-Politiker musste im Zusammenspiel mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) einen echten Härtetest auf dem Weg zu einer neuen Energiepolitik bestehen.

Nach der schweren CDU-Wahlniederlage bei der Landtagswahl 2012 in NRW, die Röttgen als Spitzenkandidat mitzuverantworten hatte, war sein Rücktritt auch als Bundesumweltminister erwartet worden. Doch Röttgen verweigerte diesen Schritt, worauf Merkel ihn wenig später entließ. Seit dieser Legislaturperiode ist Röttgen nun Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages.

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