Kassenärztliche Vereinigungen in der Kritik 150 Beschäftigte müssen gehen – Was wird aus der Notdienst-Hotline 116117?

Düsseldorf · Die Kassenärztliche Vereinigungen haben rund 150 Beschäftigte freigestellt. Die Gewerkschaft nennt das Verhalten asozial. Die SPD verlangt von der Landesregierung einen Bericht.

Die Kassenärztliche Vereinigungen haben überraschend rund 150 Beschäftigte der Notdienst-Hotline 116117 freigestellt.

Die Kassenärztliche Vereinigungen haben überraschend rund 150 Beschäftigte der Notdienst-Hotline 116117 freigestellt.

Foto: dpa-tmn/Frank Rumpenhorst

Die überraschende Schließung der Arztrufzentrale NRW GmbH, zuständig für die zentrale Rufnummer 116 117, hat für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sprach von einem unmenschlichen und asozialen Verhalten. Die rund 150 Beschäftigten des gemeinsamen Tochterunternehmens der beiden Kassenärztliche Vereinigungen von Nordrhein und Westfalen-Lippe seien über das Aus in einer achtminütigen Videokonferenz informiert worden. „Offensichtlich wurde die Betriebsschließung schon seit Langem vorbereitet, denn anders ist es nicht zu erklären, wie der ärztliche Notfalldienst ohne die Arztrufzentrale NRW seit gestern 24/7 aufrechterhalten werden kann“, sagte Andrea Becker, Verdi-Landesfachbereichsleiterin. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass die Arbeit nun an tarifungebundene Callcenter ausgelagert wurde.

Die KVen sprachen von rund 140 Mitarbeitern und einer sozialverträglichen Umsetzung der Liquidation. „Wir arbeiten jetzt daran, die in ihrem Sinne bestmögliche Lösung zu finden. Wir werden vertrauensvoll und in Ruhe die nun anstehenden Gespräche führen und darum bis zu deren Abschluss keine weitere öffentliche Stellungnahme abgeben“, erklärten die beiden Liquidatoren, Steffen Römheld und Nina Hammes. Die Neuorganisation soll laut KVen die Qualität und Erreichbarkeit der Hotline verbessern. Für die Patienten und Ärzte ändere sich nichts.

Nach Informationen von Verdi wurde den Beschäftigten ein Aufhebungsvertrag gegen Zahlung von 45 Prozent eines Monatsbruttos angeboten, versehen mit dem Verweis, dass es bei einer reinen Kündigung zehn Prozentpunkte weniger gebe. Die Mehrheit der Betroffenen verfügt ausweislich des Haustarifvertrags über Einstiegsentgelte von zwischen 2500 und 2600 Euro.

SPD verlangt umfassenden Bericht

Verdi-Gewerkschaftssekretär Tim Köhler zufolge hat die Gewerkschaft bei einer Videoschalte den Betroffenen geraten, dass Angebot auszuschlagen. Köhler kritisierte, das Unternehmen versuche, Sozialplanverhandlungen vorwegzunehmen. Er kritisierte zudem, dass es keinen Betriebsübergang auf die KVen gegeben habe. „Wenn Mitarbeiter nun wechseln, müssen sie sich auf die Stellen bewerben und haben auch wieder eine Probezeit. Bei einem Betriebsübergang wäre das nicht der Fall gewesen.“

Die SPD im Düsseldorfer Landtag verlangt zu dem Fall nun von der Landesregierung einen umfassenden Bericht. In der Anfrage, die unserer Redaktion vorliegt, wollen Thorsten Klute und Lena Teschlade wissen, was hinter dem Abbau steckt, welche neuen Arbeitskräfte an der Hotline eingesetzt werden und wieso die Mitarbeiter erst so kurzfristig über die Auflösung informiert wurden. Auch geht es darum, welche Rolle das NRW-Gesundheitsbehörde als Aufsichtsbehörde gespielt hat.

Ministerium: Organisation obliegt Kassenärztlichen Vereinigungen

Das NRW-Gesundheitsministerium erklärte auf Anfrage, die Organisation der 116 117 obliege alleine den Kassenärztlichen Vereinigungen. „Das Ministerium hat lediglich eine Rechtsaufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen“, sagte ein Sprecher von Minister Karl-Josef Laumann (CDU). Die von den KVen nun vorgenommene Neuorganisation der 116 117 sei seitens des Ministeriums mit der Erwartung verbunden, dass sich in der Folge die Erreichbarkeit und der Service der 116 117 deutlich verbessere. „Nur dann kann die ihr zugedachte Rolle wirklich ausgefüllt werden. Hierzu gehören insbesondere die kurzfristige Vermittlung von Arztterminen sowie ein niedrigschwelliger Zugang zum KV-Bereitschaftsdienst. Letzteres wäre auch wichtig für eine nachhaltige Entlastung der 112“, so der Sprecher.

Inwiefern die im Zusammenhang mit der Neuorganisation der 116 117 entstehenden Beschäftigungsverhältnisse tarifgebunden seien, sei dem Ministerium nicht bekannt. „Körperschaften des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sollten bei der Vergabe von Aufträgen darauf achten, mit tarifgebundenen Dienstleistern zusammenzuarbeiten“, so der Sprecher.

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