Prozess gegen angebliche IS-Unterstützer 25-Jährige und zwei Mitangeklagte aus Bonn stehen vor Gericht

Ihr Mann präsentierte sich in einem Internetvideo als feixender Menschenschlächter. Die ihm nach islamischem Recht Angetraute sitzt nun ein wenig verloren und verschüchtert wirkend hinter einer hohen Panzerglasscheibe.

Zwei Justizbeamte bewachen die 25-Jährige in ihrer blauen Burka, deren Gesichtsschleier sie erst auf der Anklagebank gelüftet hat. Ihre beiden Mitangeklagten - die nach islamischem Recht verheirateten Ahmed-Sadiq M. und Jennifer Vincenza M., beide 22 - durften bei ihren Anwälten vor der Sicherheitsscheibe im großen Saal Platz nehmen, wo die Mitglieder des 6. Strafsenats und die Staatsanwälte von ihren erhöhten Sitzplätzen aus auf die drei Angeklagten aus Bonn und ihre sechs Rechtsanwälte herabschauen.

Karolina R., eine junge Mutter mit freundlichem Gesicht, ist die Hauptangeklagte in dem am Mittwoch gestarteten Prozess, bei dem sich die Justiz erstmals in Deutschland mit einer Frau als mutmaßlicher Unterstützerin der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) befassen muss. R. wird vorgeworfen, ihren Mann, der seit Sommer 2013 in Syrien kämpft, mit Kameras im Wert von mehr als tausend Euro und mit Bargeld in Höhe von insgesamt 11.000 Euro beliefert zu haben.

Farid S. hatte im vorigen Jahr mit einem Video im Internet Entsetzen hervorgerufen: "Wie ihr sehen könnt, haben wir geschlachtet", rief der Bonner Islamist darin und zeigte auf mehrere vor seinen Füßen liegende Leichen. Gedreht hatte das Video mutmaßlich der bekannteste deutsche Syrien-Dschihadist, Denis Cuspert. Er soll sich wie Karolina R.s Mann in den Reihen des IS als "Gotteskrieger" etabliert haben.

"Meine Tochter ist keine Terroristin", hatte die Mutter einen Tag nach der Verhaftung der 25-Jährigen Ende März 2014 im GA-Interview fassungslos ausgerufen. In der Tat fällt es an diesem ersten Prozesstag im Hochsicherheitsgebäude des Düsseldorfer Oberlandesgerichts schwer zu glauben, dass diese Frau einen "Schlächter" in den Reihen einer der grausamsten islamistischen Terrormilizen unterstützt haben soll. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Als Karolina R. von der Vorsitzenden Richterin Barbara Havliza zu ihren Personalien befragt wird, nestelt die Mutter eines zweijährigen Sohnes, der nach GA-Informationen mit ihr seit fast einem Jahr im Gefängnis ist, unbeholfen am Mikrofonknopf herum. Ein Justizbeamter hilft, woraufhin sie freundlich lächelt.

Bizarr haben sich die beiden angeklagten Frauen noch kurz vor Prozessbeginn präsentiert. Jennifer M., die anders als Karolina R. nicht in Untersuchungshaft sitzt, lässt sich nur komplett verhüllt von den Pressefotografen ablichten. Sie hält einen schwarzen Schleier vors Gesicht, den sie erst lüftet, als die Fotografen gegangen sind. Karolina R., die - ebenfalls komplett verhüllt - aus ihrer Gefängniszelle durch eine andere Tür in den Gerichtssaal geführt wird, dreht den Fotografen den Rücken zu und liest in einem Buch. Im Koran?

Wie um die Schwere der Tat zu unterstreichen, listet Staatsanwalt Simon Henrichs später bei der Verlesung der Anklage zahlreiche Militäroperationen und Gräueltaten der bis zu 15 000 Kämpfer starken Terrormiliz IS auf. Dann kommt er auf Karolina R. zu sprechen, die im Mai 2013 mit ihrem damals sieben Monate alten Sohn, ihrem Mann Farid S. und ihrem Bruder Max, der ebenfalls zur Bonner Islamistenszene gehören soll, nach Syrien gereist sei. Während Karolina und ihr Sohn bald zurückkehrten, zog ihr Mann weiter ins Kampfgebiet, wo er laut Anklage Cuspert getroffen haben soll.

Zunächst schloss sich Farid S. der Terrorgruppe Junud Al-Sham an, für die er laut Staatsanwaltschaft zwei Propagandavideos drehte. Im September 2013 soll er sich dem IS als Kämpfer angedient haben, Anfang 2014 für mehrere Wochen in Gefangenschaft der Freien Syrischen Armee geraten, dann aber wieder freigelassen worden sein. Prompt kehrte er zum IS zurück, leistete Wachdienste, bevor er wieder kämpfte.

Von Deutschland aus hatte Karolina R. im Oktober 2013 ihrem Mann zunächst Kameras samt Akkus für die Produktion weiterer Videos zukommen lassen, so die Anklage. Über einen Anbieter für Bargeldtransfers überwies sie demnach auch 1100 Euro an einen Mittelsmann in der Türkei und brach am gleichen Tag zu ihrem Mann auf - im Gepäck eine Brillen- und zwei Helmkameras sowie 5150 Euro Bargeld. Zurück in Bonn, soll sie ab Dezember 2013 noch mehrmals Geld überwiesen haben. Die beiden Mitangeklagten sollen dabei insgesamt 2200 Euro an "Spendengeld" beigesteuert haben, so die Staatsanwaltschaft.

Der Prozess selbst droht an diesem Mittwoch schon vor Beginn ins Stocken zu geraten. Die Anwälte sind der Meinung, die "interessierte Öffentlichkeit" finde aufgrund der strengen Kontrollen vor dem Gerichtsgebäude möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen den Weg ins Gebäude. Auf die Einladung der Richterin, sich im Prozess zu den Vorwürfen zu äußern, reagieren die Angeklagten nicht. Das übernehmen ihre Verteidiger, indem sie erklären, ihre Mandanten würden sich vorerst "schweigend verteidigen" und sich zur Sache nicht einlassen.

Ob Karolina R. wusste, wofür das von ihr überwiesene Geld gedacht war und wie es verwendet wurde, dürfte im weiteren Verlauf eine der zentralen Fragen sein. Die Haltung der Bundesanwaltschaft dazu bringt ihr Vertreter Henrichs auf den Punkt: "Nach unserem Rechtsverständnis ist es nicht erforderlich nachzuweisen, wofür das Geld verwendet wurde", sagt er am Rande der Verhandlung, "es genügt, dass das Geld der Terrorgruppe zugute kam."

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