Späte Antwort auf Macron 55 Jahre Élysée-Vertrag: Berlin und Paris rücken zusammen

Berlin/Paris · Es ist eine späte Antwort auf Frankreichs Präsident Macron: Die Parlamente in Berlin und Paris zelebrieren die deutsch-französische Partnerschaft. Ohne Kontroversen geht dies aber nicht ab.

 Der Auftritt von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in der Pariser Nationalversammlung wurde in Frankreich als wichtiges Signal gesehen.

Der Auftritt von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in der Pariser Nationalversammlung wurde in Frankreich als wichtiges Signal gesehen.

Foto:  Michel Euler

55 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrags haben Spitzenpolitiker Deutschlands und Frankreichs zu einer noch engeren Partnerschaft aufgerufen. Die beiden EU-Schwergewichte hätten eine besondere Verantwortung für Europa.

Das machte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) in der Pariser Nationalversammlung deutlich. "Als Deutsche und Franzosen wollen wir vorangehen", sagte er auf Französisch. Er nannte als gemeinsame Aufgaben die Schaffung eines deutsch-französischen Wirtschaftsraums und die "großen Zukunftsthemen" Klimaschutz, Energie oder digitale Gesellschaft.

Einen Tag nach dem Votum des SPD-Sonderparteitags für die Aufnahme von förmlichen Koalitionsverhandlungen mit der Union wurde der Auftritt Schäubles in der französischen Hauptstadt als wichtiges Signal gesehen. Frankreichs sozialliberaler Staatschef Emmanuel Macron hatte weitreichende Vorschläge zur Neuaufstellung der Europäischen Union gemacht und wartet seit Monaten auf eine neue Regierung in Berlin. Als Wunschpartnerin für EU-Reformen sieht er in Deutschland Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Bundestag und die französische Nationalversammlung verabschiedeten in getrennten Sitzungen in Berlin und Paris eine gemeinsame Resolution. Sie fordert einen neuen Élysée-Vertrag und eine verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Bei der Sondersitzung des Bundestags, an der auch Abgeordnete der Nationalversammlung teilnahmen, warnte deren Präsident François de Rugy vor den Gefahren durch Abschottung und Nationalismus. "Populismus und nationalistische Bewegungen bedrohen alle europäischen Nationen", sagte er. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte in der streckenweise emotionalen und kontroversen Debatte: "Europa wird nur eine gute Zukunft haben ohne Nationalismus."

Später flogen Abgeordnete aus Berlin nach Paris, wo der Text am Ende unterschrieben wurde. Es habe erstmals gleichlautende Resolutionen in beiden Volksvertretungen gegeben, lobte De Rugy. Er bedauerte die schwache Präsenz bei der Pariser Sitzung - an der Abstimmung hatten weniger als 150 Abgeordnete teilgenommen.

Die AfD kritisierte in Berlin die Aktion als "Heuchelei" und verweigerte Ehrengast De Rugy Beifall für seine Rede. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, der Aufwand für die Feierlichkeiten sei nicht zu rechtfertigen.

Der Élysée-Vertrag war am 22. Januar 1963 vom damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle unterschrieben worden. Er besiegelte 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Freundschaft der früher verfeindeten Länder.

Schäuble betonte in Berlin: "Nicht nur die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland warten darauf, dass es nach nunmehr vier Monaten seit den Bundestagswahlen bald eine voll handlungsfähige Regierung gibt. Darauf warten auch unserer Freunde und Partner in Europa und der Welt."

Für den Text des von Union, SPD, FDP und Grünen eingebrachten Antrags stimmten die Abgeordneten dieser vier Faktionen. Die AfD und einige Mitglieder der Linksfraktion votierten dagegen. Die Linke hatte einen eigenen Antrag eingebracht. Ihre Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte in ihrer Rede Sozial- und Steuerdumping in Europa.

Merkel und Macron hatten schon am Wochenende angekündigt, mit einer Neuauflage des Vertrags die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Technologie vertiefen zu wollen. Der neue Élysée-Vertrag soll noch in diesem Jahr unterzeichnet werden.

Schäuble wurde in der Nationalversammlung - dies ist das Unterhaus des französischen Parlaments - mit viel Beifall empfangen. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen blieb allerdings demonstrativ sitzen. Die Chefin der rechtsextremen Front National hatte vor der Sitzung erneut die Europäische Union kritisiert, die "fast ausschließlich Deutschland nütze". Nach Paris reisten unter anderen Wagenknecht und FDP-Chef Christian Lindner.

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