Abgang renommierter NRW-Steuerfahnder sorgt für Empörung

Düsseldorf · Erst ging der legendäre "Mann ohne Gesicht", jetzt gehen seine besten Leute: In den Augen der Opposition steckt die schwarz-gelbe Landesregierung hinter dem Seitenwechsel renommierter Steuerfahnder.

 Steuerfahnder bei einer Razzia.

Steuerfahnder bei einer Razzia.

Foto: Sebastian Willnow/Archiv

Der Abgang bundesweit renommierter Steuerfahnder in Wuppertal sorgt für Spekulationen und Kritik. Zwei Spitzenkräfte aus dem Wuppertaler Finanzamt, Sandra Höfer-Grosjean (45) und Volker Radermacher (49), wechseln die Seiten und steigen bei der Großkanzlei Deloitte ein, wie die Kanzlei am Freitag in München bestätigte. Zuvor hatte das "Handelsblatt" berichtet. Die Opposition ist empört.

Der Wechsel nährt bei der Opposition den Verdacht, die schwarz-gelbe Landesregierung könnte die von Wuppertal ausgehende intensive Verfolgung von Steuerhinterziehern beenden. Die Landesregierung weist dies zurück.

Die Wuppertaler Behörde war mit dem spektakulären Ankauf von Steuerdaten-CDs immer wieder in den Schlagzeilen. Dies spülte bundesweit Milliardenbeträge in die Staatskassen. Nachdem Behördenchef Peter Beckhoff, der legendäre "Mann ohne Gesicht", vor einem Jahr in Pension gegangen war, war Höfer-Grosjean vom damaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) zur kommissarischen Nachfolgerin ernannt worden. Radermacher wurde ihr Stellvertreter. Den Chef-Posten bekam nach der Landtagswahl aber Michael Schneiderwind aus Aachen.

"So fährt man sehenden Auges eine bestens aufgestellte Steuerfahndung vor die Wand", twitterte Ex-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). "Da werden ein paar Champagner-Korken knallen!"

Die Landesregierung werde alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, um den Kampf gegen Steuerhinterziehung konsequent fortzuführen, beteuerte das NRW-Finanzministerium dagegen. Das Verfahren bei der Prüfung des Ankaufs von Steuer-CDs bleibe unverändert.

Mit Michael Schneiderwind als neuem Dienststellenleiter werde die Arbeit in gleicher Qualität fortgesetzt. Er habe viele Jahre lang die Fachaufsicht über alle Steuerfahndungen im Rheinland gehabt und alle wesentlichen großen Fälle begleitet. Die ausscheidenden Mitarbeiter würden nach dem Prinzip der Bestenauslese schnellstmöglich nachbesetzt.

Die SPD sprach dagegen von "überflüssigen Schikanen gegen erfolgreiche Steuerfahnder". Damit schaffe CDU-Ministerpräsident Armin Laschet "No-Tax-Areas" für Bestverdienende, kritisierte SPD-Landeschef Michael Groschek. Trotz der Klientelinteressen seiner Koalition dürfe Laschet nicht den "Türöffner für Finanzverbrecher" spielen.

Die Ankündigungen von CDU-Finanzminister Lutz Lienenkämper, die Politik seines Amtsvorgängers fortführen zu wollen, "entpuppen sich als leere Worthülsen", sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Zimkeit. "Über die Schwächung der Steuerfahndung freuen sich nur Steuerbetrüger."

Ein Sprecher der Linken erklärte, noch offensichtlicher könne eine Landesregierung nicht zeigen, dass sie Politik für die Reichsten mache: "Dieselbe Landesregierung, die den Ärmsten das Sozialticket streichen wollte, verzichtet auf Milliarden von reichen Steuerbetrügern."

Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte einen weiteren Ankauf von Steuer-CDs nicht ausgeschlossen. Dies müssten aber Ausnahmefälle sein, hatte FDP-Chef Christian Lindner bei der Vorstellung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags gesagt.

Seit 2006 wurden Steuersünder-CDs mit gestohlenen Kundendaten aus der Schweiz und Liechtenstein angekauft. Das von der Schweiz kritisierte Vorgehen war politisch lange umstritten, wurde von höchsten deutschen und europäischen Gerichten aber als zulässig anerkannt. Schweizer Großbanken, gegen deren Mitarbeiter wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ermittelt worden war, hatten Millionensummen an den deutschen Fiskus gezahlt.

Die Schweiz hatte daraufhin 2012 sogar Haftbefehle gegen die NRW-Beamten erlassen. Der Vorwurf: Verletzung des Bankgeheimnisses. Der Alpenstaat soll sogar Spione auf die Wuppertaler Steuerfahnder angesetzt haben.

NRW hatte auf Empfehlung seiner Steuerfahndung elf CDs mit Daten von mutmaßlichen Steuersündern erworben. Damit wurden bundesweit 120 000 Selbstanzeigen, davon 23 300 allein in NRW, mit Bezug auf die Schweiz ausgelöst.

Dadurch kamen nach Angaben des NRW-Finanzministeriums von 2017 zusätzliche Steuereinnahmen von schätzungsweise sechs bis sieben Milliarden Euro bundesweit zusammen - allein 2,4 Milliarden Euro in NRW seit dem Jahr 2010.

Zuletzt waren die Steuerfahnder möglichen Tricksereien und Betrügereien deutscher Unternehmen über Briefkastenfirmen auf Malta auf der Spur. Es gehe auch um nicht angemeldete Niederlassungen bekannter deutscher Konzerne, hatte Walter-Borjans noch während seiner Amtszeit gesagt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Helge Matthiesen
zur Situation der AfD
Die Demokraten zeigen Zähne
Kommentar zur Situation der AfDDie Demokraten zeigen Zähne
Zum Thema
Aus dem Ressort