Vorsitz in den Gremien AfD leitet im Bundestag drei Ausschüsse

Berlin · Wenn sich im neuen Bundestag die Ausschüsse konstituieren, ist das normalerweise eine reine Formsache. Jetzt, wo die AfD dabei ist, ist alles anders.

 Peter Boehringer soll sich in Blogbeiträgen und E-Mails frauenfeindlich und islamfeindlich geäußert haben.

Peter Boehringer soll sich in Blogbeiträgen und E-Mails frauenfeindlich und islamfeindlich geäußert haben.

Foto: Michael Kappeler

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat den AfD-Abgeordneten Peter Boehringer trotz großer Vorbehalte zum Vorsitzenden gewählt. Auch seine Parteikollegen Stephan Brandner und Sebastian Münzenmaier mussten sich zur Wahl stellen.

Normalerweise werden die Vorsitzenden lediglich vom Ausschuss "bestimmt". Der Euro-Gegner Boehringer wurde in offener Wahl mit den Stimmen seiner eigenen Partei und der FDP zum Vorsitzenden gewählt. Die vier Vertreter der Linken stimmten dagegen. Union, Grüne und SPD enthielten sich nach eigenen Angaben.

Der Grünen-Obmann, Sven-Christian Kindler, sagte: "In zahlreichen Veröffentlichungen diffamiert er demokratische Politiker und die Verfassungsordnung der Bundesrepublik und verbreitet Ressentiments gegenüber Muslimen und geflüchteten Menschen." Der Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg (CDU) sah "mehr als ein Fragezeichen hinter der Person Boehringer". Die FDP betonte, sie habe nur "aus formalen Gründen" zugestimmt.

Der Rechtsausschuss wählte den AfD-Abgeordneten Brandner zu seinem Vorsitzenden. Der Rechtsanwalt war im Thüringer Landtag wegen verbaler Entgleisungen dutzendfach zur Ordnung gerufen worden. Nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung gab es für Brandner 19 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen. Weitere 12 Ausschussmitglieder enthielten sich.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner sagte, seine Partei habe "erhebliche Bedenken" bei der Wahl Brandners gehabt. Dennoch meinte er: "Die Wahl ist kein Grund zur Panik." Jetzt sei zunächst abzuwarten, ob der AfD-Abgeordnete als Vorsitzender aus der Rolle fallen werde.

Brandner sagte, die erste Obleute-Besprechung sei "ganz gut" abgelaufen. Auf die Frage, ob er sich vorgenommen habe, im Bundestag höflicher zu sein als zuvor im Landtag, antwortete er: "Wenn man mich reizt, dann reagiere ich. Und ich versuche meistens zivilisiert wie ein Mitteleuropäer zu reagieren, meistens klappt es auch."

Boehringer sagte, das für ihn persönlich so wichtige Thema der "Eurorettung" werde im Haushaltsausschuss ohnehin nicht verhandelt. "Das Problem ist ja, dass vieles schon supranational überbaut ist."

Den Ausschuss für Tourismus leitet künftig der junge AfD-Abgeordnete Münzenmaier. Union und FDP stimmten bei seiner Wahl mit Ja, die Linke mit Nein. SPD und Grüne enthielten sich. Münzenmeier war zuletzt vom FC Bundestag, einem Hobbykicker-Verein der Abgeordneten, als Mitglied abgelehnt worden. Grund war eine Verurteilung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung bei einem Angriff von Hooligans auf gegnerische Fußballfans. Er bestreitet den Vorfall und hat Berufung eingelegt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales wird weiterhin von der SPD-Abgeordneten Kerstin Griese geleitet. Auch im Auswärtigen Ausschuss bleibt mit dem Vorsitzenden Norbert Röttgen (CDU) alles beim Alten. Cem Özdemir von den Grünen übernahm erstmalig den Vorsitz im Verkehrsausschuss. Die Sitzungen des Innenausschusses leitet künftig die CSU-Politikerin Andrea Lindholz.

Der CSU-Parlamentarier Paul Lehrieder, der im Tourismus-Ausschuss sitzt, erklärte, die Aufteilung der Ausschussvorsitze unter den Parteien entspreche den demokratischen Gepflogenheiten. "Die AfD zum Märtyrer zu machen, ist nicht unser Ansatz."

Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat aus dem Rechtsausschuss sieht das anders. "Wir haben als Linke Widerspruch eingelegt gegen Herrn Brandner, weil wir ihn für charakterlich ungeeignet halten, dieses wichtige Amt auszuüben."

Vorsitzende von Bundestagsausschüssen müssen Sitzungen vorbereiten, einberufen und leiten. Sie können dabei nicht eigenständig vom Zeitplan abweichen. Ihr Handlungsspielraum ist auch inhaltlich begrenzt: Gegen den Willen der Mitglieder können sie keine eigenen Prioritäten setzen oder politischen Vorstellungen durchsetzen.

Am Donnerstag wählt der Bundestag erneut ein Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Geheimdienste zuständig ist. Die AfD stellte erneut den früheren Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch auf. In einer ersten Wahl hatte Reusch nur 210 Stimmen erhalten und damit die erforderliche Zahl von 355 Stimmen verfehlt.

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