Kirche und Rechtspopulismus AfD: Spitzenvertreter der großen christlichen Kirchen warnen

Berlin · Spitzenvertreter der beiden großen christlichen Kirchen warnen vor einer ausgrenzenden und menschenfeindlichen Politik der AfD. Doch nicht für alle Gläubigen ist die Abgrenzung so klar.

 Die Kirchen und das Kreuz mit der AfD: Rund 20 Prozent der Christen sollen empfänglich für deren politische Thesen sein.

Die Kirchen und das Kreuz mit der AfD: Rund 20 Prozent der Christen sollen empfänglich für deren politische Thesen sein.

Foto: picture alliance / dpa

Im eher beschaulichen Potsdam war es ein kleiner Eklat: Als nach der Sitzung des Brandenburgischen Landtags am vergangenen Mittwoch die beiden großen Kirchen zu ihrem Parlamentarischen Abend einluden, verweigerte die Fraktion der „Alternative für Deutschland“ (AfD) die Teilnahme. Denn zwei Jahre, nachdem die AfD in Brandenburg als einem der ersten Bundesländer in den Landtag eingezogen ist, scheint das Verhältnis zwischen der immer weiter nach rechts abgleitenden AfD und den in den letzten Jahren immer stärker für Flüchtlingsarbeit, Integration und Weltoffenheit eintretenden Kirchen von einem klaren Gegensatz geprägt.

Spitzenvertreter beider Kirchen, wie der Berliner Bischof Markus Dröge, warnen vor einer ausgrenzenden und menschenfeindlichen Politik der AfD. „Wenn die Partei den Begriff völkisch wiederbeleben will, ist für mich eine rote Linie überschritten“, sagte Dröge. Die AfD spalte die Gesellschaft und versetze die öffentliche Debatte „mit heftigen Emotionen, die dazu führen, dass unsere Demokratie von innen heraus gefährdet wird.“ Er sei der Meinung, dass Christen in der AfD nichts verloren haben.

Ähnlich äußerten sich der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, der der AfD im April vorwarf, der Gesellschaft zu schaden, oder der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm: „Wir müssen klare Kante zeigen gegenüber allen Versuchen, völkisches Gedankengut und rechtsextremistische Kampfrhetorik in unserem Land wieder salonfähig zu machen“, sagte Bedford-Strohm auf der EKD-Synode im November in Magdeburg. Und der Bevollmächtigte der katholischen Kirche am Sitz der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, machte jüngst auf einer Tagung der Kommission „Iustitia et Pax“ in Berlin klar: „Ein Katholik hat in der AfD nichts zu suchen, das verbietet sich von unserem Menschenbild her.“

Theologin sieht Verwechselung von Glauben und Wissen

Doch so klar, wie es sich führende Kirchenvertreter wünschen, ist die Kante zwischen ihren Gläubigen und der AfD wohl nicht. „Ich bin Mitglied der Evangelischen Kirche und betrachte das als eine Aufforderung, aus der Kirche auszutreten“, sagte der AfD-Spitzenpolitiker Alexander Gauland letzte Woche. „Ich empfinde es als Zumutung, dass ein Bischof seelischen Druck auf Gläubige ausübt und sagt, euer kirchliches und euer politisches Engagement lässt sich nicht vereinbaren.“

Und der AfD-Landtagsabgeordnete Steffen Königer verstieg sich gar zu der Behauptung, Jesus würde heute seine politische Heimat in der AfD finden. Was heute zumindest für eine ganze Reihe Kirchenmitglieder gilt: In Bendorf in Rheinland-Pfalz sitzt ein ehemaliger AfD-Landtagskandidat im Pfarrgemeinderat. In Krefeld will ein Pfarrer im Ruhestand für die AfD bei der kommenden Landtagswahl kandidieren.

Rund 20 Prozent der Christen in Deutschland sind nach Einschätzung des Sozialwissenschaftlers Andreas Lob-Hüdepohl empfänglich für die politischen Thesen der AfD. „Bei allen Aktivitäten, die Kirchengemeinden etwa im Rahmen der Flüchtlingskrise an den Tag gelegt haben, müssen wir schlicht zur Kenntnis nehmen, dass ein Fünftel der praktizierenden Katholiken einem rechtspopulistischen Einstellungsmuster manifest anhängen“, sagte er auf der Berliner „Iustitia et Pax“-Tagung.

Und die Kölner Theologin Saskia Wendel attestierte Christen, die für den Rechtspopulismus empfänglich seien, eine „Verwechselung von Glauben und Wissen.“ Menschen, die ganz genau wüssten, was im Glauben wahr und was falsch sei, würden verkennen, dass Glaube „nichts mit Wissen, im Sinne von sicherem Wissen, sondern vielmehr etwas mit fester Überzeugtheit und Vertrauen“ zu tun habe.

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