Interview mit der neuen Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali will die alten Konflikte der Partei überwinden

Berlin · In ihrem Privatleben ist Amira Mohamed Ali Sängerin und macht mit einem Gitarristen akustische Musik. Die vorerst größte Herausforderung für die 39-jährige Rechtsanwältin wird sein, als neue Vorsitzende der Linksfraktion dafür zu sorgen, dass die zerstrittenen Abgeordneten ein Wir-Gefühl entwickeln.

 Tritt in die Fußstapfen von Sahra Wagenknecht an der Linken-Fraktionsspitze: Amira Mohamed Ali.

Tritt in die Fußstapfen von Sahra Wagenknecht an der Linken-Fraktionsspitze: Amira Mohamed Ali.

Foto: dpa/Carsten Koall

 Sie sind erst seit zwei Jahren im Bundestag und nun ganz oben. Was ist das für ein Gefühl?

Amira Mohamed Ali: Ich habe erstmals für eine so hohe Position kandidiert. Ich war aufgeregt, das muss ich zugeben. Es war klar, dass es knapp wird. Und dann hat es für mich geklappt. Das freut mich sehr.

Im gegnerischen Lager heißt es, sie seien eine Erfüllungsgehilfin des langjährigen Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, und dessen Unterstützer hätten Caren Lay verhindern wollen, weil sie von der Parteispitze favorisiert wurde. Geht der Streit zwischen Fraktionsvorstand und Parteivorstand munter weiter?

Mohamed Ali: Es stört mich, wie sehr wir hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Es geht nicht, dass wir unsere inhaltliche Schlagkraft einbüßen, weil wir es nicht genug schaffen, gemeinsam in eine Richtung zu gehen. Ich bin überzeugt: Wir machen Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. Ohne die parteiinternen Konflikte würden wir viel höher in der Wählergunst stehen.

Was werden Sie dafür unternehmen?

Mohamed Ali: Wir müssen als Fraktion etwas Neues versuchen. Es bringt ja nichts, immer wieder dieselben Pfade zu laufen. Für uns als Linke ist es wichtig, nach innen zumindest ein Stück weit einen Neustart zu machen. Wir müssen die sehr alten Konflikte überwinden. Das kann am besten jemand machen, der wie ich darin nicht involviert ist. Ich persönlich bin noch mit niemandem in der Fraktion ernsthaft aneinander geraten. Ich habe keine Feindseligkeiten erlebt. Das ist eine gute Voraussetzung. Aber natürlich sage ich nicht, ich bin hier, wo ist das Klavier. Das müssen wir gemeinsam machen.

Werden Sie auf die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger zugehen?

Mohamed Ali: Ja, natürlich spreche ich mit Katja und Bernd. Ich werde mit jeder und jedem aus der Fraktion sprechen. Man kann Konflikte nicht überwinden, wenn man nicht miteinander spricht. Es gibt verschiedene Arten von Konflikten: inhaltlicher Art, persönliche Art und es gibt Konflikte aufgrund von Missverständnissen. Missverständnisse müssen aus dem Weg geräumt werden und inhaltliche Konflikte müssen sachlich ausgetragen werden. In der Vergangenheit hat es bei den Linken teilweise daran gekrankt, dass man nicht versucht hat, die Dinge ganz konkret anzusprechen und zu lösen.

Sie haben gesagt, die Linke mache Politik für die Mehrheit der Bevölkerung. Da werden sich etliche Bürger die Augen reiben. Nennen Sie bitte ein paar Beispiele, welche Politik der Linken für die Mehrheit der Bürger steht.

Mohamed Ali: Wir wollen eine gemeinwohlorientierte Politik und eine Umverteilung von oben nach unten. Wir wollen keine neoliberale Verwertungslogik, die sich durch immer mehr Bereiche des Lebens durchzieht. Zum Beispiel bei der Privatisierung von Krankenhäusern.

Wie wollen Sie es zurückdrehen, dass Kliniken gewinnorientiert wirtschaften müssen?

Mohamed Ali: Die Gesundheitsversorgung ist ein Kern der Daseinsvorsorge. Es ist die Aufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass jeder Mensch eine gute Gesundheitsversorgung bekommt. Gesundheit kostet Geld. Man muss ja nicht betriebswirtschaftliche Erkenntnisse vergessen. Aber dass ein Krankenhaus Gewinn erwirtschaften muss, ist der völlig falsche Weg. Wir stecken unglaublich viel Geld in die Rüstung, wir verschenken riesige Summen durch Steuerschlupflöcher und wir versäumen große Einnahmen, weil wir keine Vermögensteuer haben. Das sind viele Milliarden Euro. Damit könnten wir die Gesundheitsversorgung gut finanzieren.

Sind die Grünen Ihr schärfster Konkurrent?

Mohamed Ali: Ich empfinde alle neoliberalen Parteien als unsere politischen Konkurrenten.

Die Grünen sind neoliberal?

Mohamed Ali: In der Umweltpolitik arbeite ich gut mit den Grünen zusammen. Auch in anderen Bereichen können und müssen wir die Schnittmengen hervorheben. Aber im Kern sind die Grünen leider eine neoliberale Partei.

Sie könnten, wenn überhaupt, nur mit den Grünen einen Machtwechsel im Land schaffen.

Mohamed Ali: Ein Machtwechsel, der dazu führt, dass die Situation für die Mehrheit der Bevölkerung verbessert, ist ein Projekt der Linken. Nur, dafür müssen wir stärker werden. Wir sind das Korrektiv zum neoliberalen Mainstream.

Warum ist es gut, dass die Linke nun mit Ihnen eine Fraktionsvorsitzende aus dem Westen hat?

Mohamed Ali: Es ist wichtig für eine Fraktion, Vielfalt abzubilden, aber ich bin ja nicht als Westdeutsche gewählt worden, sondern als Mensch.

Wie viele schlechte Witze und schräge Vergleiche erleben Sie mit Ihrem Namen? Schwester des Boxers Muhammad Ali, Schlägerei im Dschungel, „Rumble in the Jungle“?

Mohamed Ali: Es sind nicht viele Witze und Vergleiche, aber sie werden unendlich oft wiederholt. „Ich schlag mich durch“ und so etwas. Das finde ich aber eher nett. Nervig ist, dass viele Menschen meinen Namen an sich für einen Witz halten. Sie glauben nicht, dass ich so heiße und viele glauben, ich sei ein Mann.

Was heißt Amira?

Mohamed Ali: Mein Name hat zwei Bedeutungen: Prinzessin und Herrscherin.

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