Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur Andrea Gotzmann spricht über Entscheidung der Welt-Anti-Doping-Agentur

Bonn · Über die Entscheidung der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sprach Bernd Eyermann mit Andrea Gotzmann, der Vorstandsvorsitzenden der in Bonn ansässigen Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada).

 Die NADA-Vorstandsvorsitzende Dr. Andrea Gotzmann.

Die NADA-Vorstandsvorsitzende Dr. Andrea Gotzmann.

Foto: picture alliance / Michael Kappe/Michael Kappeler

Wie bewerten Sie den Ausschluss Russlands vom internationalen Sport?

Andrea Gotzmann: Als sehr konsequente und notwendige Entscheidung. Wichtig ist, dass der Beschluss für die Sanktionen im Exekutivkomitee der Wada, also durch die Vertreter der Regierungen und des Sports, einstimmig gefallen ist. Das ist ein Zeichen, dass die rote Linie mehrfach überschritten wurde und dass nun endgültig Schluss sein muss mit den Manipulationen.

Was halten Sie davon, dass die Sperre für vier Jahre gilt?

Gotzmann: Die Sperre ist vergleichbar mit Sanktionen gegen Athletinnen und Athleten, die bei einem Dopingverstoß vier Jahre gesperrt werden können. Jetzt geht es darum, dass der Beschluss von allen Beteiligten konsequent umgesetzt wird – vom Internationalen Olympischen Komitee, vom Paralympischen Komitee, aber auch von den internationalen Sportfachverbänden. Nur das kann dazu führen, dass sich im russischen Sport etwas bewegt.

Glauben Sie, dass sich dort etwas bewegt?

Gotzmann: Der russische Sport hatte in den letzten Jahren mehrfach die Chance, Fehlverhalten einzugestehen und dieses dann auch abzustellen. Das ist nicht passiert. Die Sperre ist die letzte Konsequenz.

Die russische Anti-Doping-Agentur (Rusada) wird damit zitiert, dass es Zeit für eine Änderung der Kultur im Land sei. Im Umgang mit Doping habe sich nichts grundlegend geändert. Sind das neue Töne, die Sie optimistisch stimmen, dass sich in Russland etwas ändern könnte?

Gotzmann: Der Rusada-Chef hat in den vergangenen Wochen und Monaten tatsächlich vehement dafür gekämpft, dass sich in Russland etwas ändert. Bisher hat sich ja nichts geändert. Erst vor kurzem wollte ein russischer Hochspringer einer Strafe entgehen, in dem mithilfe des russischen Verbandes Dokumente über Meldepflichtversäumnisse gefälscht wurden. Das zeigt, dass an der Basis überhaupt nichts angekommen ist. Von daher ist dieser Bewusstseinswandel, so schwer und langwierig er auch ist, dringend notwendig. Nur so kann es wieder Vertrauen geben in den russischen Sport.

Worauf kommt es jetzt an?

Gotzmann: Dass die internationalen Sportverbände die verhängten Strafen anerkennen und ohne weiteren Verzug umsetzen. Wenn wir wieder so eine Hängepartie erleben wie vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, dass nämlich bis zu den Olympischen Spielen in Tokio diskutiert wird und dann doch nicht die Entscheidung umgesetzt wird, die vom Wada-Exekutivkomitee am Montag beschlossen wurde, dann ist die Glaubwürdigkeit des Sports endgültig dahin.

Befürchten Sie eine Hängepartie?

Gotzmann: Das kann durchaus sein. Je mehr juristische Einsprüche erfolgen, desto länger zieht sich das Verfahren bis zu einer finalen Entscheidung hin.

Trotz der Sperre Russlands werden russische Sportler als neutrale Athleten antreten können. Kann man eigentlich klar trennen zwischen sauberen und gedopten Russen?

Gotzmann: Das geht. Maßgeblich initiiert vom Internationalen Leichtathletik-Verband, der sehr konsequent war und immer wieder die Bringschuld Russlands gefordert hat, haben internationale Experten zusammen mit der Rusada ein valides und glaubhaftes Dopingkontrollsystem in Russland neu etablieren wollen. Die Proben werden im Ausland in anerkannten Laboratorien analysiert. Darüber kann man nachvollziehen, wann und wie oft ein Athlet kontrolliert wurde oder ob es zum Beispiel unangekündigte Trainingskontrollen gab.

Merkwürdig erscheint, dass die russische Fußball-Nationalmannschaft bei der EM 2020 spielen und auch Heimspiele in Sankt Petersburg austragen darf.

Gotzmann: Das erscheint in der Tat unglücklich. Die Europameisterschaft gilt zwar als sehr bedeutendes Erdteil-Turnier, aber nicht als sogenanntes Major-Event nach der Definition des derzeitigen Regelwerks, ist also kein weltumspannendes Turnier. Deshalb ist sie von der Sperre nicht tangiert.

Was wiederum für die WM in Katar nicht gilt.

Gotzmann: Dafür ist die Fifa als Weltverband zuständig. Und die muss sich an die Vorgaben der Wada-Entscheidung halten.

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