Verkehrsminister Andreas Scheuer weist Schuld im Maut-Debakel von sich

Berlin · Die gescheiterte Pkw-Maut könnte die Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Doch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist sich keiner Schuld bewusst.

 Vor Beginn des Spatenstichs für den Neubau der neuen A40-Brücke über den Rhein schaut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu den geladenen Gästen. Die neue Brücke soll 2026 in Betrieb gehen.

Vor Beginn des Spatenstichs für den Neubau der neuen A40-Brücke über den Rhein schaut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu den geladenen Gästen. Die neue Brücke soll 2026 in Betrieb gehen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Da könnten einem schon die Knie weich werden, wenn man eine Schadensersatzforderung von 560 Millionen Euro zugestellt bekommt. Als Rechnung für einen entgangenen Gewinn, den sich zwei Firmen von dem Geschäft mit der Pkw-Maut erwartet hatten, die die CSU über Jahre gegen alle Widerstände durchpauken wollte und dann krachend damit scheiterte. Manche Menschen stürzen über verschwindend kleine Beträge.

Wie eine Kassiererin, die wegen eines eingesteckten Pfandbons ihren Job verlor, woran noch am Mittwoch der Linke-Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi die Kanzlerin in der Fragestunde im Bundestag erinnerte. „Wie erklären Sie denn der Kassiererin, dass dieser Minister immer noch  im Amt ist“, wollte de Masi von Angela Merkel wissen und vermutete, was am Donnerstag bestätigt wurde: Mehr als 500 Millionen Euro „stehen im Feuer“. Steuergelder.

Verkehrsminister Scheuer möchte Opposition Schuld an der Lage geben

Aber dieser Minister, Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der das Maut-Desaster jetzt zu verantworten hat, das ihm maßgeblich sein Vorgänger Alexander Dobrindt und Ex-CSU-Chef Horst Seehofer einbrockten, sagt jetzt schlicht: „Die Zahlen sind falsch und entbehren jeglicher Grundlage.“ Er weise die Forderung der Betreiber „mit aller Entschiedenheit“ zurück. Scheuer möchte der Opposition die Schuld an der Lage geben. Die Betreiber nutzten das Spekulations- und Zahlenwirrwarr, das in den letzten Wochen durch die Oppositionsfraktionen ausgelöst worden sei, behauptet er. Nach Angaben des Verkehrsministeriums hat das gescheiterte Maut-Projekt bislang 73 Millionen Euro gekostet.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter reicht es jetzt. „Es ist nicht mehr zu begründen, warum Andreas Scheuer weiterhin Verkehrsminister ist. Dass die Bundeskanzlerin einen Minister mit solch einer unterirdischen Bilanz nicht längst entlassen hat, offenbart die Schwäche der schwarz-roten Koalition.“ Mit seiner verantwortungslosen Mautpolitik habe er hunderte Millionen Euro des Bundes verspielt, Verfassungsrecht gebrochen und viele Warnungen in den Wind geschlagen. Dennoch fehle ihm noch immer jedes Unrechts- und Schuldbewusstsein, sagt Hofreiter unserer Redaktion.. Scheuers Äußerungen zeigten, dass er nichts dazugelernt habe. „Im Gegenteil, er liefert ein bizarres Schauspiel ab.“

Mitte Juni erklärte der EuGH die Maut für rechtswidrig

Der Bund hatte die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim 2018 geschlossen bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Dann aber erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Scheuers Ministerium kündigte daraufhin die Verträge. Daraus resultieren nun die Forderungen der Firmen. Nun ist der Schaden groß. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst sich bereits mit dem Fall. Die Opposition wirft Scheuer vor, die Verträge voreilig abgeschlossen, Haushalts- und Vergaberecht missachtet und Regelungen zum Schadenersatz zu Lasten des Steuerzahlers vereinbart zu haben. Auch der Bundesrechnungshof beklagt Versäumnisse von Scheuer.

Dazu, was Hofreiter unter „unterirdischer Bilanz“ versteht, gehört unter anderem der von Scheuer dankbar aufgenommene Appell von 100 Lungenärzten, die Grenzwerte für Stickoxide infrage gestellt hatten. Damit erschienen Fahrverbote in Städten unbegründet. Die Studien erwiesen sich aber als nicht haltbar. Und ein Tempolimit auf Autobahnen wie in vielen Nachbarländern ist für Scheuer „gegen jeden Menschenverstand“. Da läuft der 45-Jährige auf Hochtouren und erhitzt die Gemüter. Die Autoindustrie lässt ihn gern öffentlich wissen, dass er bei ihr unter Freunden sei, was sein politisches Standing schwächt. Dieser Freund machte den Autokonzernen im Diesel-Skandal dann auch keinen Stress.

Merkel hatte dem Linkspolitiker de Masi übrigens eine Antwort gegeben auf seine Frage, wie sie der Kassiererin erkläre, dass Scheuer noch im Amt sei. „Ich finde, dass Andi Scheuer eine sehr gute Arbeit macht“, sagte sie in einem Ton, als  wolle sie ihn wirklich schützen, den Andi. Die Unionsfraktion pflichtete mit Applaus bei. Nach dem Motto: Einer muss ja jetzt durch das Feuer, in dem auch die Steuergelder stehen. Dann besser der Minister, der es mit angezündet hat und nicht ein neuer, der als nächster verbrannt wird. Zurücktreten kann Scheuer immer noch.

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