Auftritt bei „Anne Will“ Armin Laschet zeigt sich als Ritter der Besonnenheit

Düsseldorf · Bei seinem Auftritt in der Talksendung von Anne Will wirbt Laschet um eine Politik des Ausgleichs. Das dekliniert er durch alle Themen von der Klimafrage bis zum Umgang mit Rechtskonservativen in den eigenen Reihen. Klimaaktivistin Luisa Neubauer will ihm das nicht durchgehen lassen.

 NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der ARD-Sendung von Anne Will.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der ARD-Sendung von Anne Will.

Foto: dpa/Wolfgang Borrs

Kann die Union noch Kanzleramt? Anne Will hatte ihrer Talksendung am Abend des Muttertags ganz auf ihren Hauptgast zugespitzt: auf Armin Laschet. Doch der Kanzlerkandidat der Union schien wild entschlossen, sich nicht angefasst zu zeigen, wie noch kürzlich in der Sendung von Markus Lanz, und sich auch in keine Zuspitzung treiben zu lassen, wie es Anne Will vor wenigen Wochen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel gelungen war, als diese ausgerechnet den Bewerber um ihre Nachfolge für dessen Corona-Politik rügte. Stattdessen gibt sich Laschet an diesem Abend ganz als entschiedener Streiter für Maß und Mitte, als erfahrener Pragmatiker, als einer, der mit besonnenen Positionen Mehrheiten gewinnen will.

Diese Haltung dekliniert Laschet durch alle Themen des Abends. Rechtskonservative Tendenzen in der CDU im Osten: muss eine Volkspartei aushalten. Klimapolitik: geht nur gemeinsam mit der Wirtschaft. Merkels Laschet-Rüge wegen der Coronapolitik: war nicht so gemeint.

Überhaupt scheint die Pandemie an diesem Abend schon so gut wie überwunden. Laschet will nicht mehr über Söder, den Macher aus Team Vorsicht reden, lieber über die Folgen von Corona: Lernrückstände und soziale Benachteiligung bei den Kindern, Wiederankurbelung der Wirtschaft – das sind die Felder, in denen er die CDU als Garant für Verlässlichkeit positionieren will. Und das tut er durchaus angriffslustig, wenn er etwa Anwürfe von Anne Will als „Albernheit“ abtut.

Allerdings stößt sein Feldzug für eine Politik des Ausgleichs an Grenzen. Auch das ist bei Anne Will zu erleben, denn ins Studio geladen ist auch die Umweltaktivistin Luisa Neubauer. Nachdem Anne Will im ersten Sendungsblock Laschet solo ein paar Bewerbungsfragen unterzogen hat – warum er der Richtige sei für Kanzler und so fort – rattert Neubauer los.

Und zwar zunächst nicht zum Thema Klima. Neubauer stürzt sich in anklagendem Ton auf die Kandidatur des rechtskonservativen CDUlers Hans-Georg Maaßen in Thüringen. Wegen Leuten wie ihm fühlten sich Umweltaktivisten im Osten bedroht, klagt Neubauer. Maaßen unterstütze Leute, die antidemokratische Stimmungen im Land schürten. Laschet habe es versäumt, dagegen deutlich Stellung zu beziehen, eine Zumutung sei das.

Da herrscht plötzlich betretenes Schweigen im Studio. Neubauer hatte Laschet gerade in jener Rolle attackiert, in der er doch punkten will, als Versöhner und ehrenwerter Mann der Mitte. Doch der Kanzlerkandidat hat sich schnell wieder gefangen. Denn in ihrem Furor unterstellt Neubauer Maaßen auch, ein Rassist und Antisemit zu sein. Belegen kann sie gerade den Antisemitismusvorwurf nicht. Auch Anne Will kann da „aus dem Hut“ nichts beisteuern.

Und so kann sich Laschet gegen die Vorwürfe verwehren. Tut das später auch bei Neubauers Anwürfen zur Klimapolitik. Verschleppter Kohleausstieg, Rückzieher bei der Windkraft, weggebaggerte Dörfer im Braunkohletagebau – für Laschet vor allem Altlasten der Vorgängerregierung.

Am Ende liefern also weder die Klimapolitik noch Corona die strittigsten Momente der Sendung, sondern politischer Konservatismus und der Umgang mit der AfD. Laschet werde sich bei den anstehenden Landtagswahlen im Osten vor allem als AfD-Koalitionsverhinderer behaupten müssen, analysiert Studiogast Martin Machowecz, der das Büro der „Zeit“ in Leipzig leitet.

Laschet sei nicht der gewünschte Kandidat der CDUler im Osten, darum bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich mit starken konservativen Figuren zu umgeben, die im Osten mehr Zustimmung ziehen, etwa mit Friedrich Merz. Da scheint Laschet zu nicken.

Welchen Posten sein innerparteilicher Konkurrent in einer Regierung unter Kanzler Laschet bekommen würde, verrät der Kandidat nicht. Digitalisierungsminister? Überhaupt Minister? Für Antworten auf diese Frage müsse erst einmal eine Wahl gewonnen werden, kontert Laschet. Er glaubt daran. Weil ihm das in NRW schon mal gelungen ist, 2017 gegen die SPD.

Und weil er überzeugt ist, mit den komplexen Problemen der Zukunft könne nur einer fertig werden, der nach differenzierten Lösungen sucht. Besonnen, gemäßigt. Vielleicht stimmt das sogar. Das im Wahlkampf zu vermitteln, ist eher schwierig.

Wie sich Kampfgeist à la Laschet anhört, ist am Ende der Sendung zu erleben, als Anne Will wissen möchte, auf wie viel Prozent der Kandidat der Union eigentlich hinsteuert. 30 Prozent? 35 Prozent? Laschets Antwort: „Je mehr, desto besser.“

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