Monitor-Recherchen Asylbewerber Oury Jalloh vermutlich getötet
Köln/Dessau · Zwölf Jahre nachdem der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Zelle der Dessauer Polizeidienststelle verbrannt ist, könnte der Fall nach WDR-Recherchen eine andere Wendung nehmen. Danach könnte Jalloh getötet worden sein.
Mehrere Sachverständige hielten einen Tod durch Fremdeinwirkung für wahrscheinlicher als die lange verfolgte These der Selbstanzündung, berichtete das WDR-Fernsehmagazin „Monitor“ am Donnerstag unter Verweis auf Ermittlungsakten. Auch der langjährige Ermittler der Staatsanwaltschaft Dessau, der leitende Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, gehe laut einem Schreiben vom April 2017 von einem begründeten Mordverdacht aus.
Bittmann halte es demnach für wahrscheinlich, dass Jalloh bereits vor Ausbruch des Feuers mindestens handlungsunfähig oder sogar schon tot war und mit Brandbeschleuniger besprüht und angezündet wurde. Der Oberstaatsanwalt benennt laut „Monitor“ in dem Brief sogar konkrete Verdächtige aus den Reihen der Dessauer Polizeibeamten. In den Stellungnahmen der anderen Experten heißt es dem Bericht zufolge, dass sich der Zustand der Zelle und des Leichnams nach dem Brand nicht ohne Einsatz geringer Mengen von Brandbeschleuniger erklären lasse.
Die Anwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke, sagte dem Magazin, angesichts der neuen Erkenntnisse sei die drohende Einstellung des Verfahrens ein Skandal. Die mittlerweile zuständige Staatsanwaltschaft Halle hatte vor etwa einem Monat angekündigt, den Fall einzustellen, da sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben hatten und eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten sei. Die Anwältin der Familie hat gegen die Einstellung Beschwerde eingelegt und will angesichts der neuen Erkenntnisse Strafanzeige erstatten.
Der Asylbewerber aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle ums Leben gekommen. Er starb gefesselt an eine Matratze bei einem Brand in der Gewahrsamszelle. Es gab mehrere Gerichtsverfahren. Jalloh soll die Matratze mit einem Feuerzeug selbst angezündet haben. Bisher konnte der Fall nicht vollständig aufgeklärt werden.