Sigmar Gabriel in der Golf-Region Auf sehr schmalem Grat

BERLIN · Eine schwierige Mission auf heiklem Terrain. Dabei ist für die Opposition im Bundestag die Botschaft schon vor der Abreise ausgemacht. Wenn Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel von heute bis Dienstag nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und nach Katar aufbricht, muss er die teils eklatante Verletzung der Menschenrechte in der Golfregion zum Thema machen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte den SPD-Vorsitzenden gestern auf, dem in Saudi-Arabien zu Haft und Folter verurteilten Blogger Raif Badawi Asyl in Deutschland anzubieten. Auch die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Selmin Caliskan, schaltete sich vor Abreise des deutschen Vize-Kanzlers nach Saudi-Arabien in den Fall ein und forderte: "Gabriel muss sich in Riad mehr trauen, weil sich der Fall Badawi zugespitzt hat."

Die Reise wird für Gabriel zum harten Auslandseinsatz. Auf der einen Seite muss er deutsche Wirtschaftsinteressen mit Milliardenaufträgen im Auge haben, auf der anderen Seite kann Deutschland die Werte seiner eigenen Außen- und Sicherheitspolitik nicht schleifen lassen, zu der natürlich auch die Verteidigung der Menschenrechte zählt. Saudi-Arabien ist immer wieder an Kriegsgerät Made in Germany interessiert.

Im vergangenen Jahr stellte sich Gabriel selbst gegen einen mögliche Lieferung der von den Saudis begehrten Kampfpanzer des Typs "Leopard 2". Doch Gabriel muss aufpassen: Der Öl- und Gas-Gigant Saudi-Arabien wird auch als Partner im Anti-Terror-Kampf gebraucht. Sollte Gabriel den Fall des Bloggers Badawi in Riad zu unverblümt ansprechen, könnte dies als Brüskierung des saudischen Königshauses gesehen werden.

Badawi war im Mai 2014 zu zehn Jahren Haft, zu 1000 Stockschlägen und zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er in einem Internetforum den Islam beleidigt haben soll. Badawis Fall ist inzwischen an ein Strafgericht in Dschidda zurückverwiesen, wo ihm im schlechtesten Fall die Todesstrafe drohen könnte, sollte er wegen Abfalls vom Glauben angeklagt werden. Nach Angaben von Amnesty werden weltweit nur in China, Iran und Irak mehr Todesstrafen ausgesprochen und Hinrichtungen vollstreckt als in Saudi-Arabien.

2014 seien mindestens 76 Menschen hingerichtet worden. Amnesty forderte Vertreter von 80 Unternehmen, die Gabriel auf seiner Reise in die Golfstaaten begleiten, bei Verträgen auf die Einhaltung von Menschenrechten und Mindeststandards zu achten. Unter anderem hatten die menschenunwürdigen Zustände auf den Baustellen in Katar, Gastgeber der Fußball-WM 2022, wie auch in den Arbeiterunterkünften für Schlagzeilen und Proteste im Ausland gesorgt.

Gabriel wandelt bei seiner Reise auf einem schmalen Grat zwischen Wahrnehmung von Wirtschaftsinteressen und Wahrung der Menschenrechte. In dieser Woche probte er bei einer Energie-Tagung schon einmal die Balance zwischen moderater Ansprache und Kritik.

Wenn es zwischen Deutschland und Saudi-Arabien eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" geben solle, könnten auch die Menschenrechte nicht außen vor bleiben, sagte er in Anwesenheit des saudischen Ölministers, ohne dabei den Fall des Bloggers Badawi namentlich zu erwähnen. Ob Zeichen oder nicht: Ali al-Naimi war bei der Veranstaltung offenbar so beeindruckt, dass er nach seiner eigenen Rede vom Podium fiel. Gabriel half ihm wieder auf.

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