Aufnahmestopp für Ausländer: Tafel will neue Lösungen

Essen · Kundenkarten vorübergehend nur für Deutsche: Dass diese Entscheidung der Essener Tafel sogar die Bundeskanzlerin auf den Plan rufen würde, hatte der Vereinsvorstand sicher nicht erwartet. Am Dienstag war Krisensitzung in Essen. Ein "Runder Tisch" soll es nun richten.

 Der Eingangsbereich zur Essener Tafel.

Der Eingangsbereich zur Essener Tafel.

Foto: Roland Weihrauch

Nach massiver Kritik am vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer strebt die Essener Tafel eine Neuregelung bei der Verteilung der Lebensmittel an. Ein Runder Tisch soll innerhalb der nächsten zwei Wochen zusammenkommen, um Lösungsansätze zu beraten, sagte Essens Sozialdezernent Peter Renzel nach einer Krisensitzung des Vereinsvorstandes. Im Fokus der Tafel stünden Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern. Den umstrittenen Aufnahmestopp für Ausländer machte der Vorstand zunächst nicht rückgängig.

Bei der Krisensitzung am Dienstag saß auch ein bisschen Merkel mit am Tisch. Am Montag hatte sie sich in die Debatte um den vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer eingemischt - und die Entscheidung des Vereinsvorstands kritisiert. Damit war das Thema endgültig auch in der Bundespolitik angekommen. Am Dienstagmorgen dann telefonierte sie mit dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU). Die Bundeskanzlerin habe sich kundig gemacht, berichtete Renzel nach der Sitzung. Und sie habe deutlich gemacht, dass sie die Arbeit der Ehrenamtlichen sehr schätze.

Die von manchen Beobachtern erwartete Aussetzung der umstrittenen Regelung gab es am Dienstag nicht, wohl aber die Ankündigung, dass ein "Runder Tisch" eine Neuregelung erarbeiten soll. "Wir suchen nach den Möglichkeiten, die Kernzielgruppen zu erreichen unabhängig von ihrem Status", sagte Renzel. Die Kernzielgruppe, das sind Alleinerziehende, Senioren und Familien mit minderjährigen Kindern.

Der vorübergehende Aufnahmestopp für Ausländer soll bleiben, "bis wir am Runden Tisch gemeinsam tragfähige Lösungen erarbeitet haben". Der von Renzel moderierte Runde Tisch, zu dem auch Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen eingeladen werden, soll in den nächsten 14 Tagen erstmals zusammenkommen.

Entzündet hatte sich die schon seit vergangenem Freitag bundesweit geführte Debatte an der Entscheidung der Essener Tafel, neue Berechtigungen zum Empfang von Lebensmitteln vorübergehend nur noch an Bürger mit deutschem Ausweis auszugeben. Begründet wurde dies mit einem sehr hohen Anteil an Ausländern. Gerade ältere Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter hätten sich von den vielen fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hatte der Vereinsvorsitzende Jörg Sartor gesagt. Bei diesen Männern habe er teilweise auch "mangelnden Respekt gegenüber Frauen" beobachtet. Sozialverbände, Politiker verschiedener Parteien und auch Tafeln anderer Bundesländer hatten das Vorgehen der Essener Tafel teilweise massiv kritisiert.

Merkel hatte in einem RTL-Interview gesagt: "Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut." Aber die Entscheidung der Ehrenamtlichen in Essen zeige auch "den Druck, den es gibt", und wie viele Bedürftige auf Lebensmittelspenden angewiesen seien.

Die CSU hielt prompt dagegen. Es dürfe nicht sein, dass "die, die angestammt berechtigt sind" durch respektloses Verhalten anderer von der Tafel ausgeschlossen würden, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt am Dienstag in Berlin. "Es ist richtig, dafür zu sorgen, dass es nicht zu einer Verdrängung kommt an der Tafel." Und der Essener Tafel-Vorsitzende Jörg Sartor berichtete, dass CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ihn am Morgen angerufen habe, und ihm "den Rücken gestärkt" habe. Die CSU-Bundestagsfraktion habe sich am Vortag lange mit dem Thema befasst.

Die Nationale Armutskonferenz sprach am Dienstag von einem "Alarmsignal". Die Tafeln dürften nicht länger Ausputzer der Nation sein, erklärte die Diakoniedirektorin in Berlin-Brandenburg und Sprecherin der Armutskonferenz, Barbara Eschen, laut einer Mitteilung. Die Entscheidung der Essener Tafel zeige überdeutlich, wie groß die Zahl derer ist, deren Existenzminimum nicht zum Leben reiche, erklärte Eschen. Die Nationale Armutskonferenz ist ein Zusammenschluss aus Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und deutschlandweit tätigen Fachverbänden und Betroffeneninitiativen.

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