Kölner Silvesternacht 2016 Aufregung um einen angeblichen Fahndungsbegriff

Berlin · Das Innenministerium lässt erklären, dass die Bundespolizei keine Kontrollen nach ethnischen Kriterien betreibt.

 Stellte erst kritische Fragen, lobte später aber den Polizeieinsatz in Köln: Grünen-Vorsitzende Simone Peter.

Stellte erst kritische Fragen, lobte später aber den Polizeieinsatz in Köln: Grünen-Vorsitzende Simone Peter.

Foto: dpa

Ein Schlagwort und seine möglichen Folgen: „Racial Profiling“. Haben Polizisten in der Silvesternacht in Köln gezielt nach ethnischen Kriterien bestimmte Ausländergruppen überwacht und damit gegen geltendes Recht verstoßen? Die Republik ist aufgeregt, der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies bedauert öffentlich den Begriff „Nafris“ (für „nordafrikanische Intensivtäter“) in einer Twitterbotschaft seiner Behörde.

In Berlin wiederum versucht man am ersten Arbeitstag des neuen Jahres im Hause von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), für eventuell angewandte Ermittlungsraster der Polizei, wenn diese „nur nach dem Äußeren“ gesucht hätten, die rechtsstaatliche Basis zu erklären. „Diskriminierende Fahndungsmethoden“, bei denen Beamte Kontrollen nur an die äußere Erscheinung von Personen knüpften, ohne dass „weitere verdichtende polizeiliche Erkenntnisse“ dazukämen, „sind aus unserer Sicht rechtswidrig und werden bei der Bundespolizei weder praktiziert noch gelehrt“.

Noch sei nichts klar, noch müssten, wie nach jedem Einsatz bei einem Großereignis, alle Fakten gesammelt werden. Doch man werde auch diesen jüngsten Polizeieinsatz in der Silvesternacht in Köln daraufhin prüfen, ob „hier möglicherweise rechtswidrig“ vorgegangen worden sei.

Ein Ministeriumssprecher wies darauf hin, dass sogenanntes „Racial Profiling“, also Verdächtigung oder Überprüfung von Personen nur wegen ihres Aussehens, „kein offizieller Fahndungsbegriff“ sei. Für viele Männer aus Nordafrika gelte aber, dass diese bei ihrer Anfahrt zur Silvesterfeier nach Köln in Zügen als „hochaggressive“ Gruppen aufgefallen seien und damit ein „hinreichend passgenaues Kriterium“ für eine Gefahrenabwehr durch die Polizei geliefert hätten.

Grünen-Chefin Simone Peter ließ ersten kritischen Äußerungen ausdrückliches Lob für den Polizeieinsatz folgen: „Es war richtig, hier schnell und präventiv zu reagieren und die Sicherheit aller Menschen in Köln zu gewährleisten“, schrieb sie gestern Abend auf ihrer Facebook-Seite. Fast wortgleich hatte zuvor Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt den Einsatz verteidigt.

Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2015 liegen Nichtdeutsche Tatverdächtige aus den Maghreb-Staaten Algerien und Marokko bei Straftaten insgesamt (ohne ausländerrechtliche Verstöße) auf den Plätzen zehn und elf der Nationen mit den meisten Tatverdächtigen in Deutschland. Tunesien folgt auf Platz 24.

Dramatisch angestiegen waren laut der Kriminalstatistik aber vor allem Straftaten gegen das Aufenthalts, das Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz um plus 157,5 Prozent auf 402 741 (2014: 156 396). Für diesen Anstieg sorgten vor allem Delikte der „unerlaubten Einreise“ (154 188 Fälle, 2014: 49 714) sowie „unerlaubter Aufenthalt“ (232 348 Fälle, 2014: 86 026).

Bei den tatverdächtigen Zuwanderern fielen Algerier und Marokkaner in der Statistik 2015 (ohne Verstöße gegen das Ausländerrecht) am häufigsten bei Diebstahl und Betrug sowie bei Schwarzfahren und Körperverletzung auf. Nach einem vertraulichen BKA-Bericht, aus dem zunächst die „Welt“ zitiert hatte, stammte im ersten Quartal 2016 etwa jeder vierte tatverdächtige Zuwanderer in Deutschland aus Marokko, Algerien oder Tunesien (16 858). Insgesamt zählten die Ermittler 2015 von Januar bis März 67 150 tatverdächtige Migranten.

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