Kommentar zu Rüstungsexporten Augenwischerei

Meinung | BERLIN · Die große Koalition hat in den vergangenen vier Jahren deutlich mehr Rüstungsexporte genehmigt als die Vorgängerregierung von Union und FDP. Unser Autor meint: Waffenexporte in Spannungsgebiete sollte eine Regierung ernsthaft beschränken.

Papier ist geduldig. Auch oder gerade in der sensiblen Frage des Umgangs mit Waffenexporten. Tue Gutes und rede darüber! So hatte sich die große Koalition auf ihre Fahnen und in den Koalitionsvertrag geschrieben, strenge Grundsätze für die Ausfuhr von Waffen und Rüstungsgütern anzulegen.

Vor allem Sigmar Gabriel redete in seiner Anfangszeit als Bundesminister für Wirtschaft gerne über eine restriktivere Praxis bei Rüstungsexporten. Im ersten Jahr hielt er noch Wort. Danach stiegen die Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen – auch in Spannungsgebiete – drastisch an. 2015 mit 7,86 Milliarden Euro um fast den doppelten Wert im Vergleich zum Vorjahr. Er blieb auf hohem Niveau. Anspruch und Wirklichkeit sind gerade in einem Regierungsamt nicht immer in Einklang zu bringen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein – also die Waffenexportpraxis.

Wenn eine nächste Groko sich nun auf Betreiben der SPD vorgenommen hat, Rüstungsexporte weiter einzuschränken und die gelobten strengen Grundsätze weiter zu schärfen, sollte sie sich zumindest an diesem Anspruch nicht verheben. Erst sonntags Rüstungsexporte einschränken (oder gar stoppen), montags doch über eine Ausfuhr beraten, die dienstags dann genehmigt würde – das wäre die nächste Augenwischerei unter dem Deckmantel einer Rüstungsexportkontrolle.

Kein Vertun: Deutschland muss ein strategisches Interesse an einer heimischen Rüstungsindustrie haben. Waffenexporte in Spannungsgebiete sollte eine Regierung aber doch ernsthaft beschränken – auch in der Praxis.

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