Ukraine-Krieg Baldiger Importstopp für Gas und Öl aus Russland möglich
Bonn · Bonner Forscher halten ein Embargo von russischen Energielieferungen für machbar, wenn die Bundesregierung es wünscht. Laut einer Studie könnten die ökonomischen Auswirkungen geringer sein als vermutet.
Deutschland diskutiert infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, wie schnell sich die Volkswirtschaft von russischen Energieimporten unabhängig machen könnte. Wie eine Studie von Forschern der Universitäten Bonn und Köln zeigt, könnten die ökonomischen Auswirkungen geringer sein als vermutet. Auch mit Blick auf die Klimaziele empfehlen die Ökonomen in einer diese Woche veröffentlichten Studie: Wenn es politisch gewünscht sei, sollte ein Embargo der russischen Energieimporte so früh wie möglich beginnen. Sie begründen das damit, dass die Unternehmen und Verbraucher den Sommer, wenn kein Heizbedarf besteht, entsprechend nutzen könnten, um sich an die neue Situation anzupassen.
Mehr als 50 Prozent ihres Gasbedarfs deckt die Bundesrepublik mit Importen aus Russland, bei Öl und Kohle sind es deutlich weniger. Wie das Forscherteam um die Ökonomen Moritz Schularick und Moritz Kuhn, die dem Exzellenzcluster Econtribute angehören, berechnet hat, würden bei einem Importstopp in den kommenden zwölf Monaten 30 Prozent des Gasverbrauchs nicht durch alternative Energiequellen gedeckt werden können. Blickt man auf den gesamten Energieverbrauch Deutschlands, würden acht Prozent fehlen.
Je nachdem, wie sich die Energiepreise entwickeln und auf welche Ersatz- und Einsparmöglichkeiten Industrie und Haushalte zurückgreifen, würden sich die wirtschaftlichen Kosten zwischen deutlich unter einem Prozent und knapp drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) belaufen. Pro Kopf der Bevölkerung ergäben sich im besten Fall Kosten zwischen 80 und 120 Euro im Jahr, im pessimistischen Szenario wären es maximal bis zu 1000 Euro pro Kopf.
Empfehlung: Preise für fossile Energieträger anheben
Für den Fall, dass es zu keinem Importstopp kommt, weil es kein Embargo gibt oder Russland weiterhin liefert, empfehlen die Forscher der Bundesregierung, die Preise für fossile Energieträger für einen längeren Zeitraum anzuheben, um Anreize für Haushalte und Industrie zu schaffen, sich schnell anzupassen – sei es, dass Verbraucher und Unternehmen auf alternative, nicht fossile Energien zurückgreifen, oder dass sie den Verbrauch reduzieren. Da die Ökonomen in jedem Fall davon ausgehen, dass die Energiepreise steigen, plädieren sie dafür, steuerliche Entlastung zu gewähren.
Da ärmere Haushalte oftmals von ihrem Einkommen einen größeren Teil für Wärme und Strom ausgeben müssen, empfehlen sie auch gezielte Transfers, etwa über die Hartz-IV-Sätze oder über das Wohngeld. „Da die Inflation im Jahr 2022 sehr hoch sein wird und die steigenden Energiepreise weiter zum Anstieg des Preisniveaus beitragen werden, erscheint es notwendig, die Nominalwerte bestimmter Parameter des Steuer- und Transfersystems anzupassen, falls es der Europäischen Zentralbank nicht gelingt, die Gesamtinflationsrate durch kompensierende Preissenkungen an anderer Stelle zu stabilisieren“, schreibt das Forscherteam.
Derweil haben die Ökonomen der Deutschen Bank am Mittwoch ihre Konjunkturprognose angepasst. Sie gehen davon aus, dass der Krieg in der Ukraine das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 2,5 bis drei Prozent drosseln wird, vorher waren sie von einem Plus des BIP von vier Prozent ausgegangen. Durch den Energiepreisanstieg dürfte die Inflationsrate auf etwa 5,5 Prozent steigen, während sie beim Staatsdefizit davon ausgehen, dass es über das Jahr bei deutlich über vier Prozent liegen dürfte. „In unserem Negativszenario steigt die Gesamtinflationsrate auf 6,5 bis 7,0 Prozent an, weil die Öl- und Gaslieferungen zumindest vorübergehend unterbrochen werden“, heißt es.
400 Euro mehr pro Neuwagen
Der Direktor des Center Automotive Research (CAR) in Duisburg, Ferdinand Dudenhöffer, berichtete am Mittwoch, dass sich die höheren Industriestrompreise zumindest auf die Kosten beim Pkw-Kauf nur minimal niederschlagen dürften. Eine Industriestrompreis-Erhöhung um 33 Prozent, so Dudenhöffer, hätte eine Kostensteigerung von rund 400 Euro pro Neuwagen zur Folge. „Ein Betrag, der in Relation zum Neuwagenpreis zwar zu Buche schlägt, aber überschaubar bleibt.“