740 Mitglieder Bandidos in NRW landesweit verboten

Düsseldorf · Martialisches Auftreten, eigene „Gesetze“, brutale Gewalt: Sämtliche 28 Chapter der berüchtigten und bisher landesweit größten Rockergruppe Bandidos sind in Nordrhein-Westfalen verboten.

 Feuerwehrleute entfernen unter Polizeischutz ein Schild am Vereinsheim der Rockergruppe Bandidos.

Feuerwehrleute entfernen unter Polizeischutz ein Schild am Vereinsheim der Rockergruppe Bandidos.

Foto: dpa/Dieter Menne

Die Bandidos, größte und mitgliederstärkste Rockergruppe in Nordrhein-Westfalen, sind landesweit verboten worden. Das Verbot des Bundesinnenministeriums umfasse sämtliche 28 sogenannten Chapter der Bandidos in Nordrhein-Westfalen, teilte das NRW-Innenministerium am Montag in Düsseldorf mit. Den „Chapter“ genannten Teilorganisationen waren noch im vergangenen Mai 740 Mitglieder zugerechnet worden. „Heute haben wir einer der größten kriminellen Rockervereinigungen den Stecker gezogen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) der Deutschen Presse-Agentur.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Verbotsverfügung am Montag veröffentlicht. Demnach ist die „Bandidos MC Federation West Central“ mit insgesamt 38 Chaptern ab sofort verboten und aufgelöst. Es ist laut Bundesinnenministerium das bislang größte Verbot dieser Art. Von dem Verein gehe eine schwerwiegende Gefährdung für die Allgemeinheit aus, heißt es zur Begründung.

Die Tätigkeit des Vereins und seiner 38 Chapter laufe den Strafgesetzen zuwider. Schwere Körperverletzung sowie versuchte und vollendete Tötungsdelikte gehen demnach auf das Konto der Gruppierung.

Dass Straftaten durch die „Bandidos MC Federation West Central“ nicht nur geduldet, sondern auch gefördert und belohnt wurden, lässt sich laut Bundesinnenministerium auch daran ablesen, „dass es verschiedene Aufnäher („Patches“) des Vereins gibt, die an Mitglieder verliehen werden, die Straftaten im Sinne des Vereins verübt haben“.

Schilder der Bandidos werden abmontiert

Noch am Montag begann in NRW die Feuerwehr unter Polizeischutz damit, die Schilder an Vereinsräumen der Bandidos abzuschrauben. Das Vereinsvermögen werde beschlagnahmt, teilte das Bundesinnenministerium mit.

„Das bislang größte Verbot einer kriminellen Rockergruppe zeigt, dass sich der Rechtsstaat nicht an der Nase herum führen lässt“, sagte Seehofer. Es trifft nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes ungefähr 650 Rocker und damit mehr als die Hälfte der Mitglieder der „Bandidos“ in Deutschland.

Der Schwerpunkt der „Bandidos MC Federation West Central“ lag in Nordrhein-Westfalen. Auch in Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz fallen einzelne Bandidos-Chapter unter das Verbot.

Anfang Juli hatten in den vier Bundesländern sowie in Thüringen fast 1800 Polizeibeamte Vereinshäuser und Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppierung durchsucht. Dabei wurden unter anderem Waffen, Munition, Drogen, Motorräder, Speichermedien und größere Mengen Bargeld sichergestellt.

Chapter existierten auch nach Verbot

Die Ermittler gewannen durch die Auswertung der Funde außerdem zusätzlichen Einblick in die Struktur der Gruppierung. Mitgenommen wurden auch Westen mit Abzeichen, sogenannte Kutten.

Bereits im April war in Nordrhein-Westfalen das Bandidos-Chapter „BMC Hohenlimburg/Witten“ verboten worden. Daraufhin hatte dessen Dachorganisation die Selbstauflösung bekannt gegeben. Die Ermittlungen hätten jedoch ergeben, dass sie weiter existiert habe, so das Bundesinnenministerium. „Wer unsere Gesetze mit Füßen tritt, verschwindet nicht vom Radar unserer Sicherheitsbehörden, nur weil er seine Selbstauflösung erklärt“, sagte Seehofer.

Zweck der „Bandidos MC Federation West Central“ und ihrer nun ebenfalls verbotenen Teilorganisationen sei es, „einen territorialen und finanziellen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anzustreben und entsprechende Ansprüche regelmäßig auch mit Gewalt, insbesondere gegenüber anderen Rockergruppierungen in seinem regionalen Einflussgebiet durchzusetzen“.

Schießerei in der Kölner Innenstadt

So hatte etwa Anfang 2019 eine Schießerei in der Kölner Innenstadt für Entsetzen gesorgt. Der Schusswechsel war wohl Teil des Machtkampfes zwischen „Bandidos“ und Rockern von den „Hells Angels“. Das Ministerium verwies zudem auf den Prozess vor dem Landgericht Hagen gegen mutmaßliche Führungsmitglieder der Gruppierung sowie gegen führende Mitglieder eines bereits verbotenen Chapters der Bandidos aus Hagen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Die Rocker hatten in Nordrhein-Westfalen zuletzt versucht, sich juristisch gegen Verbotsverfügungen von NRW-Innenminister Reul zur Wehr zu setzen. „Unsere unablässigen Ermittlungen im kriminellen Rockermilieu haben das Verbot der Bandidos Federation West Central heute möglich gemacht“, sagte Reul. „Wir lassen uns von fadenscheinigen Ablenkungsmanövern nicht täuschen.“

Die Polizei in Hagen hatte angesichts eines Rockerkriegs zwischen Bandidos und Freeway Rider’s 2018 eine Ermittlungskommission ins Leben gerufen, der es gelungen war, mehrere Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung durch die Staatsanwaltschaft zur Anklage zu bringen. Das NRW-Innenministerium habe danach den Vollzug eines Vereinsverbotes nach dem Vereinsgesetz angeregt. Dieses Verbot sei nun rasch umgesetzt worden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr ein verschärftes „Kuttenverbot“ für kriminelle Rocker bestätigt. Die Logos verbotener Gruppen dürfen nicht von anderen Rockern in leicht abgewandelter Form getragen werden. Laut Bundesinnenministerium wurde der „Bandidos MC“ 1966 im US-amerikanischen Texas gegründet und ist in Deutschland seit 1999 vertreten.

(dpa)
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