Mit Hubschraubern zum Plenarsaal Als in Bonn die Bannmeile existierte

Bonn · Von 1955 bis 1999 galt in der Bundesrepublik ein Versammlungsverbot um den Bundestag. Am 26. Mai 1993 versuchte eine Gruppe Vermummter, die Bannmeile an der Heussallee zu stürmen. Ein Rückblick.

 Empörte Bergleute brechen am 11. März 1997 durch die Absperrungen der Bannmeile um den Bundestag in Bonn.

Empörte Bergleute brechen am 11. März 1997 durch die Absperrungen der Bannmeile um den Bundestag in Bonn.

Foto: picture-alliance / dpa/Tim_Brakemeier

Gegnern und Befürwortern der Bonner Bannmeile im Gedächtnis geblieben ist der 26. Mai 1993, als der Bundestag über die heftig umstrittene Asylrechtsänderung debattierte. An die 10.000 Demonstranten sperrten an diesem Tag über Stunden die B9 in Höhe des Kunstmuseums ab, während eine Gruppe Vermummter versuchte, die Bannmeile an der Heuss­allee zu stürmen. 4000 Polizisten und Grenzschützer waren im Einsatz, um den Parlamentariern den Zugang zur Abstimmung zu sichern. Mit Hubschraubern und per Schiff gelangte schließlich der Großteil der Abgeordneten in den Plenarsaal – der Wasserweg war auch deshalb sicher, weil die Bannmeile das Beueler Rheinufer mit umfasste.

Ein wesentlicher Unterschied zur heutigen Regelung in Berlin war damals, dass in der Bannmeile die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt war: Wer gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstieß, machte sich strafbar, ihm drohte Gefängnis bis zu zwei Jahren. Heute sind Zuwiderhandlungen im befriedeten Bezirk um den Bundestag in Berlin nur eine Ordnungswidrigkeit, allenfalls wird ein Bußgeld fällig.

In der jungen Bundesrepublik war das erste Bannmeilengesetz 1955 erlassen worden, das Gebiet umfasste mehr als fünf Quadratkilometer von der Zweiten Fährgasse im Norden entlang der Adenauerallee bis im Süden zur heutigen Franz-Josef-Strauß-Allee und von dort diagonal nach Südosten über den Rhein zur Beueler Seite. Damit umschloss diese besondere Zone nicht nur den Bundestag und den Bundesrat, sondern auch das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt, aber auch das Tulpenfeld mit seinen Journalistenbüros.

Die erste Bannmeile für ein deutsches Parlament war bereits 1848 durch die Frankfurter Nationalversammlung erlassen worden. Allerdings war es kein komplettes Demonstrationsverbot, sondern nur eine Untersagung von Versammlungen, falls Gefahr drohte. In der Weimarer Republik 1918 wurde die Bannmeile zunächst abgeschafft, in Reaktion auf eine versuchte Erstürmung der Nationalversammlung selbst, die durch die Reichswehr blutig beendet wird, schaffen die Abgeordneten aber schon Anfang 1920 einen „befriedeten Bannkreis“ um das Berliner Reichstagsgebäude, in dem Versammlungen nicht stattfinden dürfen.

Die großen Demonstrationen während der Bonner Republik fanden deshalb über viele Jahre im Hofgarten hinter der Universität statt, ob die Proteste gegen die Notstandsgesetze 1968 oder die Kundgebungen der Friedensbewegung in den 1980er Jahren.

Den Bonnern in Erinnerung geblieben sind auch die Protestaktionen der wütenden Bergarbeiter, als die Regierung von Helmut Kohl die Gespräche mit den Gewerkschaftern über die zu kürzenden Steinkohlesubventionen absagte. Auch damals, 1997, versuchten aufgebrachte Demonstranten, in die Bannmeile einzudringen. Nicht erst zu diesem Zeitpunkt diskutierten die Parteien über eine Lockerung des Bannmeilengesetzes, jetzt mit Erfolg.

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