5G-Netz-Aufbau Bedroht Huawei die deutsche Sicherheit?

Berlin · Die Regierung ist gespalten, die Europäer sind sich nicht einig: Holt man sich mit Huawei die größte anzunehmende Gefahr in den Aufbau des künftigen Nervensystems aller Staaten, das G5-Netz, selbst hinein? Eine Analyse dessen, was wirklich droht.

Wie gefährlich ist Huawei?

Wie gefährlich ist Huawei?

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Wenn ein Mann jede Nacht in ein Haus einzubrechen versucht, es immer wieder schafft, durch den Keller oder ein Fenster reinzukommen, wäre es dann klug vom Hausbesitzer, den Sohn des Einbrechers zu beauftragen, den neuen Haustürschlüssel herzustellen? So einfach ist die Frage nicht zu beantworten, ob Deutschland seine Sicherheit aufgibt, wenn man den chinesischen Konzern Huawei am Aufbau des schnellen 5G-Netzes beteiligt. Aber im Prinzip ist das die Frage.

Die wichtigsten staatlichen Experten sind uneins: Der Bundesnachrichtendienst (BND), der Strategie und Möglichkeiten Chinas kennt, sagt: Keinesfalls! Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das sich bestens mit Digitaltechnik auskennt, sagt: Warum nicht? Es geht um vier unterschiedliche und doch verflochtene Szenarien. Sie lassen sich verdichten in die Begriffe Horror, Technik, Ausbau und Seidenstraße.

Die Horrorvorstellung westlicher Nachrichtendienste knüpft bei dem nicht nur theoretischen, sondern schon erprobten Sabotagepotenzial durch digitale Kriegsführung an – dem systematischen Niederringen kritischer Infrastruktur durch massive Angriffe, die die Energie- und Krankenversorgung, den Verkehr und die Telekommunikation lahmlegen. Schon im Irak-Krieg vor 16 Jahren bewiesen die USA, dass sie harmlos wirkende Software in normalen Gebrauchsgegenständen so präparieren können, dass sich diese selbstständig macht und Teile der gegnerischen Luftabwehr lahmlegt. Immer wieder gibt es Berichte, wonach westliche Nachrichtendienste neu erkannte Sicherheitslücken in global verbreiteter Software für ihre Zwecke nutzen. Deshalb liegt die Annahme nahe: Was wir können, werden die Geheimdienste der autoritären Systeme erst recht tun?

Die Technikneutralität beruht zum einen auf den Erkenntnissen des BSI, das Huawei-Produkte auf Herz und Nieren geprüft und bei intensiver Detailuntersuchung keine eingebauten Hintertüren oder Vorkehrungen zur Zweckentfremdung finden konnte. Das deckt sich zum anderen mit dem vermutlichen Ergebnis erfolgreicher Hackerangriffe auf die Huawei-Zentrale bis zum Mitlesen der internen Kommunikation von Entwicklern und Konzernspitze, die den Verdacht verkappter Vorkehrung zur aggressiven Nutzung der Technik vermutlich nicht bestätigten. BSI-Präsident Arne Schönbohm hält Wirtschaftsspionage generell für „kontrollierbar“ und verweist darauf, dass es bei der Herkunft der Bauteile egal sei, von wem sie wann für welche Zwecke missbraucht würden. Wer das Funktionieren einer Antenne nicht kontrollieren könne, müsse auf sie strenggenommen verzichten, unabhängig, ob die Bauteile aus Schweden, Korea oder China kommen.

Huawei-Bauteile sind besser und billiger als jene der Konkurrenz

Das Ausbautempo ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Jeder weiß, dass viele Regionen in Sachen Netzzugang und Wlan-Geschwindigkeit eher auf Entwicklungsland-Niveau liegen. 5G soll das ändern. Doch nicht von ungefähr wollen große Konzerne wie Siemens oder Telekom nicht auf Huawei per se verzichten. Dank der riesigen Entwicklungsabteilung von Huawei mit Zehntausenden von Mitarbeitern und ihrer Kompetenz, die einem Konzern mit mehr als hundert Milliarden Dollar Jahresumsatz erwächst, sind Huawei-Bauteile besser und billiger als die Produkte der Konkurrenz. Mit ihren Investitionen in die Integration Künstlicher Intelligenz sind die Chinesen den Konkurrenten um Jahre voraus. Anders ausgedrückt: Ohne Huawei müsste Deutschland wohl noch Jahre in einem inakzeptablen Digitalzustand verharren.

Die Seidenstraße ist das Mega-Projekt Chinas, das die weltweite Expansionsstrategie unterstreicht. Es geht dabei nicht um traditionelle Handelswege, sondern um den strategischen Zugang zu regionalen und nationalen Märkten, wie etwa mit einer Zugverbindung bis zum Duisburger Hafen. Wenn Eigenmächtigkeiten von chinesischen Konzernen dem strategischen Ziel im Weg stehen, weiß die von der Kommunistischen Partei gestellte Regierung diese abzuräumen. Sie steckt notfalls auch mächtigste Konzernlenker in den Knast oder sorgt für ihre Ablösung oder ihr Einknicken. Die Seidenstraße steht auch für die chinesischen Versuche, Staaten beeinflussen und beherrschen zu können, was in Afrika weit fortgeschritten ist. Das von China spendierte Verwaltungszentrum der Afrikanischen Union merkte laut französischen Medien nach Jahren, dass Nacht für Nacht große Datenmengen mit brisanten Informationen abflossen. Ziel: Schanghai. Eingebaute Technik: Huawei. Direkter Zusammenhang: Unbewiesen. Die massive Unterstützung einzelner Staaten zahlt sich auch in Europa schon aus. Als es darum ging, dass die EU die Menschenrechtslage in China einhellig verurteilt, wurde das von Ungarn verhindert. China hat Ungarn Investitionen in Milliardenhöhe zugesagt. Und Ungarn hat entschieden, wer sein 5G-Netz mit aufbaut: Huawei.

In dieser Gemengelage ist nicht durchschaubar, was hinter der Kampfansage von US-Präsident Donald Trump an Huawei steckt. Sein Botschafter in Berlin, Richard Grenell, drohte mit dem Ende der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit, sollte Deutschland auf Huawei-Technik setzen. Trump rief schon im Frühjahr den nationalen Notstand aus, um US-Firmen die Kooperation mit Huawei und anderen chinesischen Firmen zu verbieten. Allerdings hat er die Frist auf Druck von US-Konzernen mehrfach verschoben. Möglicherweise geht es Trump nur darum, die Huawei-Blockade als weltweites Druckmittel gegen Peking einzusetzen, um mehr chinesische Bestellungen von US-Produkten herauszuholen.

Der kommunistische Kapitalismus wird zum Alternativmodell

Für Deutschland stehen zwei Fragen im Mittelpunkt, die der Handels- und Technologie-Experte der Unionsfraktion, Stefan Rouenhoff, so formuliert: „Wollen wir riskieren, dass autoritäre Staaten auf das künftige Nervensystem unserer Wirtschaft – das 5G-Netz – zugreifen können? Und wie können wir das Risiko minimieren?“

Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Natürlich nicht. Die zweite nicht: Nur der (Wieder-)Aufbau deutscher, global wettbewerbsfähiger Digitaltechnik könnte mehr Sicherheit bringen. Das würde Jahre oder Jahrzehnte dauern, aber am Vorankommen der Seidenstraßen-Strategie nichts ändern. Damit sieht sich die Entscheidungsfreiheit aller Staaten mitsamt ihren demokratischen Systemen herausgefordert. Der kommunistische Kapitalismus Chinas wird zum weltweiten Alternativmodell. 5G ist dabei nur ein winziges Rädchen.

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