Die Macht der Bilder So zeigen sich Politiker in sozialen Netzwerken

Analyse | Berlin · Es ist gefährlich, wenn Politiker ihr Leben in den sozialen Medien zugänglich machen. Vom Fluch der permanenten Öffentlichkeit und dem Trend, mit Privatem Emotionen in der Politik zu erzeugen.

 Robert Habeck (Grüne, Mitte) und Daniel Günther (CDU, rechts) bei einem Spaziergang durch das Stiftungsland Schäferhaus bei Handewitt am 7. Juli. Begleitet wurden sie von Gerd Kämmer (links), Geschäftsführer der Bunde Wischen eG, der das Gebiet seit 20 Jahren bewirtschaftet.

Robert Habeck (Grüne, Mitte) und Daniel Günther (CDU, rechts) bei einem Spaziergang durch das Stiftungsland Schäferhaus bei Handewitt am 7. Juli. Begleitet wurden sie von Gerd Kämmer (links), Geschäftsführer der Bunde Wischen eG, der das Gebiet seit 20 Jahren bewirtschaftet.

Foto: Sšnke Ehlers

Von Daniel Günther spricht in diesem Fall niemand. Von Robert Habeck alle. Dabei waren beide zum selben Zeitpunkt auf derselben Wiese vor denselben Pferden. Ein Stück Natur in der Nähe von Flensburg-Handewitt. Der CDU-Politiker Günther ist Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Habeck, seit Januar 2018 Co-Vorsitzender der Grünen, war Vize-Ministerpräsident im nördlichsten Bundesland, als der Regierungschef dort noch Torsten Albig (SPD) hieß. Habeck war auch Landesumweltminister und kennt sich seither mit dem Wolf gut aus. Inzwischen womöglich auch mit Pferden.

An einem schönen Juli-Tag sind Günther und Habeck jedenfalls zur Pferdeschau verabredet, der Daniel und der Robert, denn beide duzen sich. Günther und Habeck können miteinander, persönlich und politisch. Beide haben die erste funktionierende Jamaika-Koalition in Deutschland mit ausgehandelt, beide sind auch Hoffnungsträger für Schwarz-Grün im Bund. „Natürlich wollen wir mit unserem Treffen zeigen, dass wir gut zusammengearbeitet haben“, so Günther. „Und wer weiß schon, wie die nächsten Bundestagswahlen ausgehen?“, sagt der CDU-Mann noch.

Beide wissen: Bilder erzeugen Emotionen, bleiben beim Betrachter leichter haften als die Lektüre eines komplizierten Gesetzentwurfes. Wenn die Politik ein Ponyhof wäre, wären beide mit den Wildpferden im Hintergrund vermutlich noch ein Weilchen sitzen geblieben. Aber die Berufspolitik ist kein Ponyhof, sondern ein gnadenloses Geschäft. So schnell und vergänglich wie Umfragewerte.

Die Macht der Bilder - Wie sich Politiker inszenieren
25 Bilder

Die Macht der Bilder - Wie sich Politiker inszenieren

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Genau deshalb fallen zwei Wochen später Habeck die schönen Bilder mit den wilden Konik-Pferden vor die Füße, Günther hingegen nicht. Ist das logisch? Die „Bild“-Zeitung recycelt eine schon bekannte Geschichte über ausgehungerte Konik-Pferde an einem Streifen Land an der Nordsee. Auf der Titelseite provoziert der Boulevard über den „Grünen-Chef und seine Kuschel-Fotos“ Angstgefühle: „Hunger-Horror um Habeck-Pferde“. Es hätte auch heißen können: „Hunger-Horror um Günther-Pferde.“

Aber Günther ist sachlich, zu sehr Typ Notar. Habeck dagegen lässt sich gut verkaufen, der Grünen-Chef scheut die mediale Inszenierung nicht. Zu Beginn vergangenen Jahres verließ er den Kurznachrichtendienst Twitter, als er mit einem Tweet zur bevorstehenden Landtagswahl in Thüringen dazu aufrief, der Freistaat möge ein „offenes, freies, liberales, demokratisches Land, ein ökologisches Land“ werden – wo die Grünen da doch schon mitregierten. Seither postet er gerne Bilder bei Instagram, zeigt sich beim Joggen oder bei der Buchlektüre.

Das Spiel mit Bildern und der Macht zeigt zugleich die Macht von Bildern. Der damals noch junge Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg etwa ließ sich bei seinem ersten New York-Besuch in diesem Amt auf dem Times Square ablichten. Pose: Was kostet die Welt?

 Inszenieren sich auch: Andreas Scheuer (v.l.), Markus Söder, Armin Laschet, Angela Merkel, Joachim Stamp, Christian Lindner und Karl-Theodor zu Guttenberg.

Inszenieren sich auch: Andreas Scheuer (v.l.), Markus Söder, Armin Laschet, Angela Merkel, Joachim Stamp, Christian Lindner und Karl-Theodor zu Guttenberg.

Foto: dpa / Ann-Christin Elpelt /GA/dpa / Ann-Christin Elpelt / GA

Am Ende kosteten ihn  Fehleinschätzung und Selbstüberschätzung wegen einer abgekupferten Doktorarbeit den Ministerposten und die politische Karriere. Auch Ursula von der Leyen war ins Macherimage verliebt, ließ sich in der Dämmerung mit einem Großraumflugzeug im Hintergrund fotografieren. Kurze schwarze Jacke, als wäre sie die Pilotin, die Arme vor der Brust verschränkt. Die Botschaft war klar: Die Ministerin als Macherin. Die sozialen Medien katapultieren solche Bilder in Echtzeit-Tempo um die Welt.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zeigt bei Twitter ein Foto von seiner sonnigen Dachterrasse in Potsdam – mit einem Cappuccino auf dem Tisch. Noch erkältet? Nein, es geht schon wieder. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) muss nicht nur die Schmach der Mautpleite ertragen, sondern auch, dass es ihn quasi bereits als Maske zu kaufen gibt: 350 Gramm Karton zu 6,90 Euro. Ein Ministerkonterfei für eine Mottoparty, so weit ist es schon. Von FDP-Chef Christian Lindner und seiner Lebensgefährtin Franca Lehfeldt gibt es auf Instagram ein Selfie von einer gemeinsamen Autofahrt, dazu die Information: „Ein Sonntag mit Baujahr 1985 – Ausfahrt ins Grüne: Er muss fahren, sie freut sich.“ Nur wer braucht das?

Öffentlichkeit kann ein Fluch sein, wenn man Nachfrage selbst bedient

Wenn Privates öffentlich wird, ist es für Politiker immer gefährlich. Öffentlichkeit kann auch ein Fluch sein, erst recht, wenn man die Nachfrage selbst bedient. Rudolf Scharping ging einst in einem Pool auf Mallorca mit seiner damals neuen Liebe Kristina Gräfin Pilati baden. Und das war es dann auch für ihn – im Amt des Verteidigungsministers. Und in der Politik.

Die damalige CDU-Chefin Angela Merkel und der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle ließen sich Anfang der 2000er Jahre öffentlichkeitswirksam ablichten, als sie gemeinsam im Cabriolet fuhren. Damals waren Instagram und Twitter noch nicht erfunden, die ein solches Fotomotiv in Echtzeit verbreiten würde. Der heutigen Bundeskanzlerin würden die Haare mindestens so zu Berge stehen, wie ein Autovermieter damals Merkels Haare für ein Werbeplakat zur Sturmfrisur montiert hatte.

Merkel käme nie auf die Idee, ein privates oder halb-privates Foto von sich öffentlich zu stellen. Gut, eine Bundeskanzlerin ist quasi immer öffentlich, auch beim Wandern mit Bergsteiger-Legende Reinhold Messner im Urlaub in Südtirol. Aber jetzt, in Zeiten der Pandemie, lässt sie Bilder einer Schiffs- und anschließenden Kutschfahrt mit CSU-Chef Markus Söder über sich ergehen – und holt sich im Gegenzug dafür auf Schloss Herrenchiemsee eine Stillhaltezusage der CSU für ihren Corona-Kurs in der EU ab.

Die große Bühne der Politik: Macht und Inszenierung liegen oft nah beieinander. Die Macht der Bilder ist groß. Viele Politiker nutzen das, auch Söder, der beteuert: „Mein Platz ist in Bayern.“ Doch Bilder sagen manchmal mehr als Politiker-Phrasen: Ein Schloss, eine Kutsche, ein Ministerpräsident, eine Bundeskanzlerin, die nächstes Jahr aufhört. Das Bild verschickt die stille Botschaft: Neben Merkel, das könnte der Kronprinz sein.

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