Ein Mann der vielen Gesichter Bilanz zum Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki

Köln · Vor rund vier Jahren wurde Rainer Maria Woelki zum Erzbischof von Köln ernannt. Über seine Person scheiden sich die Geister. Viele Menschen können ihn nicht richtig einschätzen.

 Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki .

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki .

Foto: dpa

Bei seinem Vorgänger Joachim Meisner wussten die Menschen im Bistum nach so einem Zeitraum längst, wo sie mit ihm dran waren. Nicht so bei Rainer Maria Woelki. Das Bild des Kardinals bleibt auch nach vier Jahren in dieser Position noch unscharf.

Der Hoffnungsträger: Nach Meisners Rücktritt projizierten viele Gläubige einer liberalen katholischen Basis ihre Hoffnungen auf Woelki. Es war nicht zuletzt sein „anderer“ Stil im Verhältnis zum Vorgänger, der das beförderte. Mit dem Fahrrad machte sich Woelki auf zu Terminen in der Kölner Innenstadt. Soziale Themen wurden von ihm besetzt. Als Kölscher Jung bekannte er sich leidenschaftlich zum „Effzeh“. Mit den leitenden Köpfen der Karl-Rahner-Akademie trank er auf einem Empfang zum nettem Plausch ein Kölsch. Schließlich gab er wieder Zuschüsse für die Bildungseinrichtung frei, die Meisner ob ihrer schrankenlosen Diskussionsfreude ein Dorn im Auge war und der er alle Gelder gestrichen hatte. Ein Kardinal zum Anfassen also? In einer Talkshow sagte Woelki einmal, dies sei etwas, woran er sich nur schwer gewöhnen könne: Dass die Menschen in Köln oft etwas distanzlos auf ihn zugingen.

Der „Sozialist“: Gerade in den ersten Monaten nach seiner Ernennung soll es ein geflügeltes Wort auf den Fluren der Generalvikariats – der Bistumsverwaltung – gewesen sein: „Oh Gott, unser Kardinal ist Sozialist.“ Es waren vor allem seine Predigten und Appelle für Flüchtlinge, für sozial benachteiligte Kinder und gegen den Mietwucher, die ihm diesen Ruf einbrachten. Später, als das Bild des „Kardinals zum Anfassen“, des liberalen Hoffnungsträgers Risse bekam, kam die Kritik auf, dieses Engagement basiere nicht zuletzt auf einer PR-Strategie seiner Medienfachleute. „Manch eine Kritik lässt der Kardinal einfach an sich abprallen, aber dieser Vorwurf verletzt ihn. Er verletzt ihn tief“, sagt ein Vertrauter aus Woelkis Umfeld.

Der Hirte: Die Kirchen sind leer, Geistliche kaum noch zu finden – viele Gläubige fühlen sich in dieser Situation von ihrem Bischof alleingelassen. Der hat den „Pastoralen Zukunftsweg“ ausgerufen. Das bedeutet, dass immer mehr Gemeinden zu immer größeren Seelsorgebereichen zusammengefasst werden. Aus den Gemeinden der Kölner Innenstadt wird ein „Sendungsbereich“. Begriffe und Entwicklungen, die die Basis in weiten Teilen ratlos zurücklassen – und manch einen Priester über seine Kräfte hinaus fordern. Rhein-Sieg-Kreisdechant Thomas Jablonka hat erst kürzlich seinen Amtsverzicht erklärt – auch wegen Überarbeitung. Die wichtige Stelle des Bonner Stadtdechanten ist aus anderen Gründen frei geworden. Woelki will, dass sich die Gläubigen aktiv auf den Zukunftsweg machen. „Wenn wir aber in unserer Gemeinde angesichts Priestermangel und leerer Bänke für sonntags einen ökumenischen Gottesdienst planen, werden wir vom Bistum zurückgepfiffen“, berichtete eine engagierte Katholikin. Es steht bei Weitem nicht immer gut um die Kommunikation zwischen dem Hirten Woelki und seiner Herde.

Der Katholik: Mit dem Katholiken Woelki wird es in der Ökumene keine Fortschritte geben – das kann in dieser Deutlichkeit gesagt werden. Klar wurde das schon wenige Wochen nach seiner Amtseinführung. Zum Reformationstag im Jahr 2014 besuchte er den Festgottesdienst in der evangelischen Trinitatiskirche. Eine kleine Sensation, die unter Meisner undenkbar gewesen wäre. Entsprechend war die Erwartungshaltung: Als Woelki die Kirche betrat, brandete Applaus auf. Nach seinem Redebeitrag rührte sich allerdings keine Hand mehr. Er hatte vor allem das Trennende betont. Zwei Jahre später veröffentlichte die „Herder Korrespondenz“ einen Text von Woelki unter dem Titel „Ehrlichkeit in der Ökumene“. Der Text wiederholte mehrfach die Aussage: Gemeinsames Feiern der Eucharistie setzt die Einheit der Lehre voraus. Hier hätten die Lutheraner sogar schon Erreichtes wieder infrage gestellt. Und in ethischen Fragen gebe es sogar eine „Grunddifferenz“. Dazu passend: Ein Brief nach Rom, unterzeichnet von Woelki und sechs weiteren deutschen Bischöfen.

Der Chef: Es muss eine kühle Atmosphäre gewesen sein, als Kardinal Woelki Generalvikar Dominik Meiering zu einem Dienstgespräch bat und ihm verkündete, das er sich einen anderen Leiter der Bistumsverwaltung wünscht. Wenige Tage später gab der Erzbischof bekannt, wen er zum neuen Generalvikar ernennt: Monsignore Markus Hofmann, einen Anhänger des Opus Dei. Die Bistumsspitze wird durch diese Personalie noch etwas markanter konservativ – so, wie es von Meisner bereits angelegt war. Beispiele: Weihbischof Dominikus Schwaderlapp ist ebenfalls ein Mann des Opus Dei. Weihbischof Ansgar Puff propagiert den Neokatechumenalen Weg, eine missionarische Bewegung, die bei ihrer Verbreitung auf kinderreiche Familien setzt. Vor deren Anhängern sagte Kardinal Meisner einst: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“

Der Trauernde: Der Hoffnungsträger Woelki und der zunehmend konservative Positionen besetzende Kardinal – diese beiden Bilder wollen so wenig zusammenpassen, dass viele Beobachter von einem Wendepunkt in der Laufbahn sprechen. Und dieser Wendepunkt sei der Tod Kardinal Meisners gewesen. Jemand, der Woelki seit Jahren persönlich kennt, widerspricht – aber nur teils. Die theologischen Standpunkte Woelkis hätten sich nicht gewandelt. Nichtsdestoweniger habe ihn der Tod Meisners „zutiefst erschüttert und geprägt“. Einst war Meisner Woelkis Förderer. Doch als Woelki sein Nachfolger war, wurde es wohl still zwischen beiden. Der unkonventionelle Stil des neuen Erzbischofs – mit dem Fahrrad zu Terminen oder eine Fronleichnamsmesse am Flüchtlingsboot – fand Meisner offenbar befremdlich. Die Sprachlosigkeit hielt an bis zum plötzlichen Tod Meisners. Es kam nicht mehr zu einer Aussprache. „Woelki erlebte die Trauerzeit und das von ihm geleitete Requiem sehr intensiv“, sagt ein Beobachter. Danach habe er sich wohl in der Pflicht gesehen, das Erbe seines großen Vorgängers zu wahren.

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