Gesetzespläne gegen Hassverbrechen Mehr Schutz gegen Hetze und Drohungen

Berlin. · Die Bundesregierung will mit hohen Haftandrohungen auch Kommunalpolitiker besser gegen Bedrohungen absichern

 Eine Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Campact mit einem Plakat gegen Hassbotschaften vor dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden.

Eine Aktivistin der Nichtregierungsorganisation Campact mit einem Plakat gegen Hassbotschaften vor dem Grünen-Parteitag in Wiesbaden.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Politiker auf allen Ebenen erhalten Morddrohungen und müssen übelste Beschimpfungen ertragen. Die Algorithmen im weltweiten Netz lassen solche Äußerungen zu regelrechten Lawinen werden. Die Bundesregierung hat bereits eine Gesetzesverschärfung beschlossen, die nun nach den jüngsten MorddDrohungen gegen die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir schnell umgesetzt werden soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.

  • Wie groß ist das Problem der Bedrohungen und Beleidigungen gegen Politiker?

Statistiken gibt es dazu nicht. Angesichts der Messer-Attacke gegen die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2015, der Messer-Attacke auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, und des Mordes an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist klar, dass die Stufe von verbaler Gewalt zur physischen Gewalt gegen Politiker schon überschritten ist.

  • Warum treffen die physischen Attacken vor allem Kommunalpolitiker?

Kommunalpolitiker haben in der Regel keinen Personenschutz. Hinzu kommt, dass Kommunalpolitiker anders als ihre Kollegen auf Bundes- und auf Landesebene keinen besonderen Schutz vor übler Nachrede genießen. Das soll sich nun ändern. Bereits in der vergangenen Woche hat das Bundeskabinett beschlossen, dass der Paragraf 188 des Strafgesetzbuchs künftig auch dem Schutz von Kommunalpolitiker dienen soll. Er sieht vor, dass jemand, der Politikern durch üble Nachrede schaden will oder sie verleumdet, mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen muss.

  • Wie sieht es im Fall der Grünen Renate Künast aus. Wird man auch künftig Politiker aufs Übelste beleidigen können?

Der Fall Künast hat Politiker aller Parteien aufgeschreckt. Das Landesgericht Berlin hatte entschieden, dass die frühere Landwirtschaftsministerin der Grünen als „Geisteskranke“ und „Dreckschwein“ bezeichnet werden darf. Auch noch viel üblere Bezeichnungen und sexistische Herabwürdigungen ließen die Richter durchgehen. Nun soll der Tatbestand der Beleidigung, den es längst schon gibt, für die Kommunikation im Netz angepasst werden.

„Dabei berücksichtigen wir insbesondere dessen unbegrenzte Reichweite und die aufgrund vermeintlicher Anonymität oft sehr aggressive Begehungsweise.“

  • Im Netz wird oft anonym gepöbelt und beleidigt. Wie sollen die Täter ermittelt werden?

Das seit Oktober 2017 geltende Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll nachgeschärft werden. Bislang verpflichtet es Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, rechtswidrige Inhalte wie Aufrufe zu Mord und Gewalt zu löschen oder den Zugang dazu zu sperren. Künftig müssen die Anbieter bei Morddrohungen und Volksverhetzung auch die IP-Adressen an einen Zentralstelle des Bundeskriminalamts weiterleiten. Diese Stelle muss allerdings erst noch eingerichtet werden.

Zudem hatte BKA-Chef Holger Münch angekündigt, dass seine Beamten das Internet-Monitoring verstärken wollten – er sprach in diesem Zusammenhang von „Streife laufen im Netz“.

  • Werden denn auch Konsequenzen folgen?

Eine erfolgreiche Ahndung von Hass und Hetze im Netz ist aus Sicht des Bundesgeschäftsführers des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, nur möglich, wenn in der Justiz die Kapazitäten ausgeweitet werden. „Sollen die angekündigten Auskunfts- und Meldepflichten für die sozialen Netzwerke bei Verdacht auf Straftaten nicht nur auf dem Papier stehen, müssen die Bundesländer aber voll mitziehen und die Justiz deutlich besser aufstellen“, sagte Rebehn unserer Redaktion. Die Strafjustiz arbeite schon heute am Limit, bundesweit fehlten mehr als 500 Staatsanwälte.

„Ohne mehr spezialisierte Ermittler und schlagkräftige Zentralstellen für Hasskriminalität in den Ländern dürften schärfere Gesetze wenig bewirken“, mahnte Rebehn. Der Schlüssel zum Erfolg liege in den Ressourcen der Justiz, die aktuell aber hinten und vorne nicht ausreichten.

Grundsätzlich sagte er, es sei „höchste Zeit“, dass die Bundesregierung das Strafrecht bei Hass und Hetze im Netz durch schärfere Pflichten für die sozialen Netzwerke besser durchsetzen wolle.

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