Christen in Deutschland Den Kirchen laufen die Mitglieder weg

Potsdam/Bonn · Katholische und evangelische Kirche in Deutschland verlieren immer mehr Mitglieder. Und die Corona-Krise macht die Situation nicht leichter.

 Den großen christlichen Kirchen laufen immer mehr Gläubige davon.

Den großen christlichen Kirchen laufen immer mehr Gläubige davon.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Zahl der Kirchenaustritte steigt dramatisch, die Zahl der Taufen geht zurück: Die beiden großen Kirchen verlieren weiter Mitglieder. Allein in der Evangelischen Kirche im Rheinland ist die Zahl der Kirchenaustritte um knapp 23 Prozent gestiegen. Am 31.12.2019 zählte die Landeskirche noch 2 453 379 Gemeindeglieder, ein Jahr zuvor waren es noch 2,5 Millionen.  Auch das Erzbistum Köln schrumpfte um rund 40 000 Gläubige  – von 1 942 733 Mitgliedern Ende 2018 auf 1 905 902. Damit liegen die Kirchen der Region im bundesweiten Trend: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verlor 2019 rund zwei Prozent ihrer Gemeindeglieder und zählt jetzt bundesweit noch etwa 20,71 Millionen Protestanten. Ähnlich stark fallen die Verluste bei den Katholiken aus: Die Deutsche Bischofskonferenz meldete am Freitag noch 22,6 Millionen Gemeindeglieder – im Vorjahr waren es noch 23 Millionen.

Erschwert wird die Situation der Kirchen in diesem Jahr noch durch die Folgen der Corona-Krise. Bundesweit rechnet die EKD mit einem Rückgang von zehn bis 25 Prozent der Kirchensteuereinnahmen. Bei den Katholiken dürfte die Entwicklung ähnlich sein. Langfristig – das wurde bereits mit der Anfang 2019 vorgestellten „Freiburger Studie“ des Wirtschaftsweisen Bernd Raffelhüschen und des Forschungszentrums Generationenverträge der Uni Freiburg klar – werden sich die Mitgliederzahlen beider großer Kirchen halbieren. Schuld daran ist nicht zuletzt die demographische Entwicklung: Jährlich sterben mehr Kirchenmitglieder als Kinder oder Erwachsene getauft werden.

Doch die Freiburger Forscher hatten den Kirchenvertretern damals auch klargemacht, dass man gegen den Mitgliederschwund etwas tun könne: Zumindest am Verhältnis von Eintritten und Austritten könnten die Kirchen theoretisch etwas ändern. Doch danach sieht es derzeit nicht aus: Aus der Evangelischen Kirche traten 2019 bundesweit mit 270 000 Menschen rund 22 Prozent mehr aus als im Vorjahr. Bei den Katholiken stieg die Zahl der Austritte von 216 000 auf 272 000.

 Der Mitgliederschwund in Zahlen.

Der Mitgliederschwund in Zahlen.

Foto: grafik

Zu beschönigen gab es da am Freitag nichts mehr. „Wir müssen selbstkritisch feststellen, dass wir zu wenig überzeugend leben und zu wenig Attraktivität ausstrahlen“, sagte der Kölner Generalvikar Markus Hoffmann. „Trotz unseres konkreten pastoralen und sozialen Handelns motivieren wir eine Vielzahl von Menschen nicht mehr für das kirchliche Leben“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Limburgs Bischof Georg Bätzing. „Jeder einzelne Austritt schmerzt, nicht zuletzt, weil alle Mitarbeitenden hochmotiviert arbeiten“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass Seelsorge und Trost, Orientierung und Solidarität für jeden einzelnen, aber auch für die Gesellschaft wichtiger denn je seien. „Um Menschen künftig für den Glauben und die Kirche zu gewinnen oder zurückzugewinnen, braucht es neben geistlicher Ausstrahlung und orientierender Kraft auch einen selbstkritischen Blick auf gewachsene Formate und Strukturen.“ Die Gründe für die erhöhten Austrittszahlen will die evangelische Kirche nun mit einer eigenen Studie ermitteln.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Widersprüche
Kommentar zum Lockdown in Gütersloh Widersprüche