Interview mit ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking-Michel: "Der Papst steht für das freie Wort"

Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Bonner CDU-Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel (52) zählt zu den führenden katholischen Frauen in Deutschland. Das katholisch-evangelische Verhältnis steht im Mittelpunkt des Gesprächs, das mit ihr K. Rüdiger Durth führte.

Das höchste katholische Laiengremium versteht sich auch als Impulsgeber für die Ökumene. Haben auch Sie den Eindruck, dass gegenwärtig der Motor der Ökumene stottert?
Claudia Lücking-Michel: Zumindest könnte er deutlich reibungsloser laufen. Aber um dies zu bewerkstelligen, sind ja Impulsgeber da.

Gibt es eine Ursache dafür, dass es nicht so reibungslos läuft, wie Sie sagen?
Lücking-Michel: Sehen Sie, theologisch ist die Frage des Abendmahls geklärt. Nun steht die wichtige Frage nach dem Priester- und Bischofsamt an. Das ist keineswegs trivial. Hier kommt man nicht weiter, weil nach wie vor tiefgreifende Unterschiede bestehen. Geklärt werden müsste dazu in beiden Kirchen, wie man die geistlichen Ämter versteht. Damit hängt zusammen, wie man Kirche definiert. Offen ist, wie man Schritte aufeinander zugehen kann und wer jetzt den nächsten Schritt auch wirklich tut. Und letztlich geht es auch um eine Machtfrage.

Um die Machtfrage?
Lücking-Michel: Ja natürlich, keiner möchte von dem abgeben, was er zurzeit hat. Wir haben es hier mit zwei Großorganisationen zu tun, die sich abstimmen müssen. Das scheint für viele Verantwortliche mehr als schwer zu sein, vor allen Dingen wenn sie sich zugleich um ihren eigenen traditionellen Einfluss fürchten. Aber: Die Jüngeren in den beiden großen Volkskirchen zeigen uns, dass es im Blick auf die Ökumene auch anders geht. Sie warten nicht mehr auf ökumenische Papiere, sondern sie leben die Ökumene.

Und deshalb lässt der Einsatz für die Ökumene nach?
Lücking-Michel: Der Einsatz lässt nicht nach, aber er verändert sich. Es gibt in der Tat immer weniger Menschen, die für den ökumenischen Fortschritt in Konsenspapieren kämpfen. Immer mehr Christen wechseln aber z.B. sonntags ganz selbstverständlich zwischen katholischem und evangelischem Gottesdienst. Sie gehen dorthin, wo sie ihre Beheimatung finden. Ob dadurch auf Dauer die Kirchen zusammenwachsen, weiß ich nicht. Und ich bin auch nicht dafür, theologische Unterschiede einfach zu nivellieren. Da geht dann auch vieles verloren. Aber bevor wir uns aus den Augen verlieren, schätze ich den Wert solch praktisch gelebter Ökumene.

Ökumene bedeutet für viele Menschen vor allem gelebte Vielfalt der Kirchen.
Lücking-Michel: ...und es geht deshalb auch immer darum, wer gelebte Vielfalt wirklich "erträgt". Es geht darum, dass man endlich einsieht, meine Kirche ist gut und deine Kirche ist auch gut. Also lasst das Gute gemeinsam gut sein. Lasst uns aus unseren Stärken heraus leben und unsere Stärken ergänzen und vervielfachen.

Viele hoffen, dass sich im Blick auf die Ökumene im Vatikan etwas bewegt.
Lücking-Michel: Das hoffe ich, das hoffen wir. Es gibt hoffnungsvolle Zeichen und Symbole. Spannend ist freilich: Kommt es jetzt auch zu konkretem Handeln?

Welche Wünsche haben Sie an die evangelische Kirche?
Lücking-Michel: Dass die evangelische Kirche in ihren ökumenischen Bemühungen nicht nachlässt und in ethische Fragen einen engen Schulterschluss mit der katholischen Kirche sucht. In vielen Fragen ist dieser Schulterschluss vorhanden, in einigen leider nicht. Aber Einigkeit in ethischen Fragen ist auch politisch von zentraler Bedeutung, wenn ich das in meiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordnete hinzufügen darf. Je einiger Protestanten und Katholiken auftreten, desto mehr Gehör finden sie auf der politischen Bühne..

Verstehen sich aus Ihrer Sicht Zentralkomitee und Kirchentag als Vorreiter der Einheit der beiden großen Volkskirchen?
Lücking-Michel: Vorreiter sind wir nicht. Aber wir sind eine wichtige Stimme auf dem Weg zur Einheit der Kirche.

Gibt es Fortschritte in der Forderung des ZdK nach mehr Beteiligung der Frauen in den kirchlichen Leitungsfunktionen?
Lücking-Michel: Das Thema steht seit einiger Zeit auf der Tagesordnung der Deutschen Bischofskonferenz. Inzwischen gibt es auch mehr Frauen in Leitungsfunktionen. Mit Betonung auf "mehr".

Das bedeutet wohl, nicht genug. Bleibt es bei der Forderung nach einem Diakonat für Frauen?
Lücking-Michel: Zweifeln Sie daran?

Kurienkardinal Walter Kasper hat angeregt, ein eigenes Amt für Diakoninnen zu schaffen...
Lücking-Michel: ...freilich ohne Weihe. Und das lehnen wir ab. Ein "Diakonat light" für Frauen ist auch in der Sache nicht angemessen. Denken Sie doch bitte auch an die innere Verhältnisbestimmungen zu den schon jetzt gut wirkenden Gemeinde- und Pastoralreferentinnen.

Immer wieder wird auch den Wunsch nach einer neuen Synode für die katholische Kirche in Deutschland - in der Folge der Würzburger Synode Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts - laut. Auch Ihr Wunsch?
Lücking-Michel: Ich bin für eine neue Synode. Allerdings mit verbindlichen Entscheidungsprozessen. Das Ende des Dialogprozesses 2015 in Würzburg, wäre ein guter Anfang für die Vorbereitungen einer zweiten Synode der deutschen Bistümer.

In Rom ist die außerordentliche Bischofssynode zum Thema Familie zu Ende gegangen. Entscheidungen fallen aber erst auf der dann ordentlichen Bischofssynode in einem Jahr. Welche Erwartungen haben Sie?
Lücking-Michel: Ich hoffe mit den meisten Katholiken, dass man sich Worthülsen erspart. Denn dann würde die Kirche eine große Chance vertun und die Menschen wären maßlos enttäuscht. Es ist gut, dass um Thema Familie und Sexualität die unterschiedlichen Positionen deutlich und offen an- und ausgesprochen werden, die bislang verdeckt waren. Vor allem wäre es gut, wenn bei den Entscheidungen auch die Erfahrungen und die Voten der Laien angemessen zum Tragen kämen und nicht von oben herab entschieden würde.

Aber die katholische Kirche ist keine Demokratie...
Lücking-Michel: ... aber auch keine autoritäre Hierarchie.

Welche Aufgabe kommt dem Papst zu?
Lücking-Michel: Der Papst hat die Aufgabe, Reformen anzustoßen. Und er hat eine Vorbildfunktion. Er hält die Kirche zusammen. Aber er steht vor allem auch für das freie Wort, die offene, argumentative Debatte in der katholischen Kirche.

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