Awacs-Aufklärungsmaschinen Das fliegende Auge der Nato

GEILENKIRCHEN · Die in Geilenkirchen stationierten Awacs-Aufklärungsmaschinen sind in Krisenzeiten eine Speerspitze des Bündnisses. Nun steht den Einheiten eine umfassende Neuordnung bevor.

 Von Geilenkirchen aus Richtung Schwarzes Meer: Die Piloten der Awacs im Cockpit.

Von Geilenkirchen aus Richtung Schwarzes Meer: Die Piloten der Awacs im Cockpit.

Foto: Axel Vogel

An diesem lauen Herbstmorgen steigt Oberstleutnant Peter Leufen die Gangway hinauf zu seinem fliegenden Arbeitsplatz. Der wartet auf dem Rollfeld der Nato-Airbase in Geilenkirchen, und zwar im Bauch einer mächtigen Awacs, die gerade betankt wird. Die fünf Buchstaben stehen für "Airborne Early Warning and Control System" und eine symbolträchtige Nato-Militärmaschine vom Typ Boeing E-3A. Erkennungszeichen ist das Rotodom auf dem Heck mit einem Durchmesser von mehr als neun Metern.

Die Überwachungsqualitäten der Awacs kennt Leufen aus dem Effeff. Seit Jahren sitzt der Berufsoffizier als "Taktischer Einsatzleiter" an einer der 17 Radarkonsolen im 47 Meter langen Oberdeck der Maschine. Der Ruf des E-3A-Verbandes als Nato-Speerspitze bei Krisen hat auch mit dem Können des fliegenden Personals zu tun: Das sind stets multinationale Crews, die sich aus 15 Nato-Staaten rekrutieren.

Bei vielen Überwachungsmissionen war der 52 Jahre alte Radarleitoffizier aus Linnich dabei. Auch als die Boeing an diesem Tag gegen 8 Uhr zu einer neuen Luftpatrouille abhebt, gehört Leufen zur Crew: Für 21 Soldaten aus neun Nationen beginnt ein etwa achtstündiger Flug Richtung Rumänien. [kein Linktext vorhanden]

Überwachung der Krisenregion rund um die Krim, lautet der Auftrag. An sich Routine für Leufen, trotzdem kommt Wehmut auf. Nach 19 Jahren Fliegen ist jetzt Schluss für ihn - wie für Hunderte weitere Kameraden auf dem Stützpunkt. Der Awacs-Verband wird umstrukturiert und verkleinert, der Standort Geilenkirchen aber aufgewertet. Und zwar durch die Zusammenlegung mit der übergeordneten Dienststelle, dem Force Command, die am 27. Oktober offiziell vollzogen wurde.

Nach dem Start wird es in 9000 Metern Flughöhe rasch betriebsam im Oberdeck. Wegen Wetterproblemen muss die Luftbetankung nach Norddeutschland verlegt werden. Dadurch nimmt die Awacs erst mit Verspätung Kurs auf Rumänien. "Seit der Krim-Krise im März 2014 fliegen wir regelmäßig Richtung Baltikum, Polen und Rumänien", betont Major Johannes Glowka (37), Sprecher des Verbandes. Dabei gehe es neben der Luftraumüberwachung um eine glasklare sicherheitspolitische Botschaft: "Unsere östlichen Partner sind essenzieller Teil der Nato."

Für seine Heimat sei das wichtig, unterstreicht der polnische Hauptmann Sylwester Wojciechowski (34), Luftlageoffizier an Bord: "Die Awacs ist in Polen sehr bekannt, und es gibt vielen meiner Landsleute ein gutes Gefühl, dass wir im östlichen Luftraum patrouillieren. Darum gebe ich auch mein Bestes als Mitglied der Crew." Was unausgesprochen mitschwingt: Die Flüge sind auch ein Signal an den Kreml, dass die Nato wachsam ist.

Dass die Awacs gebraucht wird, ist für Leufen nichts Neues. Er war bereits in Afghanistan an Bord, wie auch bei der Operation "Active Endeavour", bei der die Maschinen im Mittelmeerraum Erkenntnisse über Terroristen und Piraten sammelten. Nun heißt es für Leufen nach rund 2000 Missionen Abschied nehmen: "Ich weiß seit sechs Wochen, dass ich vom fliegenden Personal des E-3A Verbandes versetzt werde." Und zwar in den Stab des Force Command, das jetzt nach Geilenkirchen wechselt.

Die Entscheidung kam überraschend. Klar seien die bis zu 14-stündigen Flüge zwei bis drei Mal in der Woche plus Simulationstraining anstrengend. Trotzdem sei der Dienst "in der einzigen fliegenden Einsatzeinheit der Nato" für den Offizier "etwas Besonderes", sagt Leufen. Auch wegen des Miteinanders in den multinationalen Crews. Trotzdem ist Leufen froh, dass er nach seiner Versetzung in seiner Heimatregion bleiben kann, wo der Familienvater als Lokalpolitiker verwurzelt ist.

Für Presseoffizier Glowka ist klar: "Uns stellt sich die Herausforderung, dass wir in der Transformationsphase die Aufgaben mit der gleichen Qualität erfüllen müssen wie bislang." Denn klar dürfte auch sein: Zwar haben die Awacs-Boeings im Schnitt rund 30 Jahre auf dem Buckel. Trotzdem bleiben die Fähigkeiten des "Fliegenden Auges" ein militärisches Alleinstellungsmerkmal und für die Nato wohl unverzichtbar.

Was die Maschinen zu leisten imstande sind, demonstriert die Crew, als der rumänische Luftraum erreicht ist. In der Krisenregion rund um das Schwarze Meer geht es darum festzustellen, welches militärische Gerät wo unterwegs ist. Das wollen Leufens Fachleute mit ausgefeilter Überwachungstechnik klären, mit der sie bis zu 400 Kilometer weit sehen können. Beim Spähen hilft das Radar im Rotodom, mit dem die Crew Schiffe und Flugzeuge, aber auch Raketenstellungen orten kann, erklärt Luftlageoffizier Ralf Gross (40). Mittels Radarsignaturen lässt sich oft sogar das Waffensystem bestimmen. "Nicht aber, wer die Systeme bedient", betont er.

Von besonderem Interesse sind jene Objekte, die nicht erkannt werden wollen. Auf den Bildschirmen zeichnen sich nämlich auch Jets und Schiffe ab, die ihren Transponder ausgeschaltet haben. Oft würden laut Glowka russische Militärmaschinen ohne ein solches Identifikationssignal fliegen. "Nadelstiche" nennen Experten solche Manöver, die den Luftraum gefährlicher machen. "Die Awacs lässt den Transponder stets eingeschaltet", so Glowka.

Schlechtes Wetter erzwingt bald den Abbruch der Mission. Wolkengebirge türmen sich vor dem Schwarzen Meer auf und begrenzen die Sicht des Radars. Trotzdem ist Leufen zufrieden, als der Pilot rund zwei Stunden früher als geplant wieder auf Heimatkurs geht. Die Crew habe sich vor allem "beim Umkoordinieren des Tagespensums bewährt", sagt er. Gegen 16 Uhr geht die rund 7300 Kilometer lange Mission zu Ende, die Awacs landet sicher in Geilenkirchen. Als Leufen aussteigt, schaut er auf die geparkten Maschinen, die weiterhin auf Luftpatrouille gehen werden. Auch ohne ihn.

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