Interview mit Ursula von der Leyen "Das hätte nicht passieren dürfen"

Bonn · Das Bundeswehrmandat gegen den IS-Terror sei vom angekündigten Abzug der USA aus Syrien nicht betroffen, sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Mit ihr sprachen Gregor Mayntz und Eva Quadbeck.

Frau von der Leyen, war es rückwirkend schlecht, so viele Berater ins Haus zu holen?

Ursula von der Leyen: Wenn wir wichtige Projekte der Modernisierung und Digitalisierung im notwendigen Tempo vorantreiben wollen, brauchen wir auch Beratung und Unterstützung von externen Fachleuten. Das ist auch im Grundsatz vom Rechnungshof unbestritten. Wir bauen zum Beispiel eine komplette neue IT-Architektur über die gesamte Struktur der Bundeswehr, vom militärischen Gefechtsstand in Mali über sichere Datenkommunikation bis hin zum Bürorechner im Ministerium und neuen Rechenzentren und Versorgungskonzepten. Keine Organisation schafft solch eine Mammutaufgabe aus eigener Kraft. Für die Bundeswehr birgt das große Chancen.

Welche zum Beispiel?

Von der Leyen: Nehmen Sie etwa die Digitalisierung unseres Ersatzteilmanagements: Da werden wir künftig die Ersatzteile zeitgenau beschaffen können, weil Sensoren die Abnutzung bereits im laufenden Betrieb eines Fahrzeuges weitergeben. Das erhöht die Einsatzbereitschaft.

Trotzdem waren 55 Prozent der Berater-Verträge rechtswidrig.

Von der Leyen: Die hohe Quote an Vergaberechtsfehlern in der untersuchten Stichprobe wird zu Recht kritisiert. Das hätte einer Verwaltung nicht passieren dürfen; da haben Qualitätskontrollen versagt. Es hatte sich Laxheit im Umgang mit einem Rahmenvertrag eingeschlichen. Der war zwar für IT-Leistungen von IBM-Software zugelassen, aber nicht für andere Zwecke. Der Großteil der Beratungsleistungen wird rechtmäßig abgerufen, im Volumen machen sie auch nur einen Promille-Anteil am Verteidigungsetat aus.

Wer ist für die Fehler verantwortlich?

Von der Leyen: Ganz grundsätzlich: Ich trage immer die politische Gesamtverantwortung für alles, was in der Bundeswehr mit ihren 250 000 Menschen passiert. Die allermeisten Beamten und Soldaten kennen ihre Verantwortung sehr gut und handeln vorbildlich. Ich kann aber gut verstehen, dass die Opposition von ihrem Minderheitenrecht Gebrauch machen will, um in einem Untersuchungsausschuss die Zeugen auch noch persönlich zu befragen. Der sollte dann möglichst öffentlich tagen, damit volle Transparenz herrscht und sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann, was an den Vorwürfen dran ist.

Wie verändern der angekündigte Abzug der Amerikaner aus Syrien und der Rücktritt von US-Verteidigungsminister Mattis den dortigen Bundeswehreinsatz?

Von der Leyen: Wir engagieren uns in Syrien und Irak ja in einer breiten Allianz gegen den IS-Terror. Wir stehen dort auch zusammen mit vielen befreundeten europäischen Nationen und Ländern der muslimischen Welt, die ein Wiederaufflammen des IS-Terrors unbedingt verhindern wollen. Im Kreis der Verbündeten herrscht Einigkeit darüber, dass der IS leider noch nicht vollständig besiegt ist. Dazu kommt, dass die USA bisher noch niemandem erläutert haben, wie weitgehend die Pläne für Syrien sind. Das Bundeswehrmandat ist daher erst einmal nicht betroffen. Es gibt weiterhin Bedarf an der Betankung alliierter Jets und den Aufklärungsbildern unserer Tornados insbesondere von IS-Verstecken in den Weiten der irakischen Wüste.

Wie ist denn aktuell die Bewerberlage bei der Bundeswehr? Reicht sie quantitativ wie qualitativ für die Einsätze aus?

Von der Leyen: Wir sind stolz darauf, was wir in einem herausfordernden Umfeld schaffen, obwohl die Wirtschaft brummt und auch viele qualifizierte Mitarbeiter braucht. 75 Prozent der Truppe haben Mittlere Reife und höhere Abschlüsse, unter den freiwillig Wehrdienstleistenden sind sogar mehr als 40 Prozent Abiturienten. Wie alle anderen Konkurrenten aus der Wirtschaft suchen wir aber händeringend nach Technikern, Naturwissenschaftlern, IT-Spezialisten. Gut ist, dass wir endlich wieder wachsen. Wir erreichen am Ende dieses Jahres die Marke von 182.000 Soldatinnen und Soldaten, das sind 2500 mehr Zeit- und Berufssoldaten als noch vor einem Jahr und ein Plus von 6500 gegenüber dem Tiefststand 2016.

Wie groß sollte die Bundeswehr noch werden? Wie viele Soldaten wären optimal?

Von der Leyen: Das ist abhängig von der Sicherheitslage und den daraus folgenden Aufgaben für die Truppe. Die aktuelle mittelfristige Personalplanung sieht vor, dass wir bis 2025 die Zahl von 203.000 Soldaten erreichen wollen, darunter viele neue Kräfte etwa für die Cybersicherheit oder Projekte im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion.

Wie steht es mit den Frauen beim Bund?

Von der Leyen: Wir haben mit 22.000 Frauen einen neuen Höchststand erreicht, das sind zwölf Prozent. Mich freut vor allem, dass die Frauen bei der Bundeswehr Karriere machen wollen. Bei den Bewerbungen haben wir den höchsten Frauenanteil für die Offizierslaufbahn. 2017 kam noch jede vierte Bewerbung für die Offizierslaufbahn von einer Frau, in diesem Jahr bereits jede dritte. Das ist klasse.

Von einzelnen Bundeswehrangehörigen, von Angehörigen auch der Sicherheitsbehörden, hört man immer wieder, dass sie in rechtsextreme Netzwerke verstrickt sind. Welche Erkenntnisse haben Sie in dem Zusammenhang im Fall "Hannibal", einem Elitesoldaten, der ein rechtsextremes Netzwerk aufgebaut haben soll?

Von der Leyen: Die aktuellen Ermittlungen laufen zum Großteil über Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt. Die sagen in Übereinstimmung mit dem Militärischen Abschirmdienst, dass sie bislang keine belastbaren Hinweise auf ein rechtsextremes Netzwerk in der Bundeswehr haben. Es ist aber richtig, jedem neuen Hinweis sorgfältig nachzugehen. Jeder Soldat, der den Boden der Verfassung verlässt, schädigt nicht nur den Ruf, sondern auch Kampfkraft und Moral der Truppe. Das ist das Schlimme.

Wie schützen Sie sich vor Extremisten in den Reihen der Bundeswehr?

Von der Leyen: Seit Juli 2017 überprüfen wir alle Männer und Frauen, die neu zur Bundeswehr kommen wollen. 16.000 angehende Soldatinnen und Soldaten sind schon überprüft worden. 20 von ihnen sind vor Dienstantritt ausgefiltert worden. Mit Blick auf die aktive Truppe kam der MAD im Schnitt in vier von rund 300 untersuchten Verdachtsfällen pro Jahr zu der Bewertung, dass bei Soldaten eine rechtsextremistische Haltung vorliegt. Die haben dann keinen Platz mehr in der Bundeswehr.

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