Unwetter in Deutschland Das Hochwasser und der Wahlkampf

Berlin · Armin Laschet sagt bei der CSU ab, Annalena Baerbock kommt früher aus dem Urlaub zurück. Die Bundeswehr rückt aus, Umweltverbände warnen vor Wetterphänomenen, Rotes Kreuz fordert besseren Katastrophenschutz.

 NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU, l) bedankt sich bei Hagenern Feuerwehrleuten für ihren Einsatz, nachdem er sich ein Bild von der Lage in der Stadt gemacht hat. Starkregen hatte zu Überschwemmungen geführt.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU, l) bedankt sich bei Hagenern Feuerwehrleuten für ihren Einsatz, nachdem er sich ein Bild von der Lage in der Stadt gemacht hat. Starkregen hatte zu Überschwemmungen geführt.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Wieder das Wasser. Wieder der Regen. Armin Laschet hat seinen Besuch bei den Schwestern und Brüdern der CSU-Landesgruppe flugs abgesagt. Das Kloster im Chiemgau oder die Not der Menschen in seinem Bundesland? Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist zu Hause gefragt. Es ist Wahlkampf. Und wieder mischt das Wetter, das in diesem Fall als Unwetter über das Land geht, mit. Das Hochwasser verlangt schnelle Reaktion. Von Hilfskräften und vom politischen Spitzenpersonal.

2002 ließ sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sehr alert – schneller als seinerzeit Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber – in Gummistiefeln und im grünen Friesennerz in ostdeutsche Hochwassergebiete an der Elbe einfliegen. Die Wucht der ersten Bilder war ihm gewiss. Schröder gewann – hauchdünn – die Bundestagswahl.

Natürlich kennt Laschet diese Geschichte. Und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kennt sie auch. Ebenso Olaf Scholz, Spitzenmann der SPD. Starkregen, Hochwasser, Wetterphänomene können Wahlen beeinflussen, weil sie Stimmungen erzeugen und Verzweiflung produzieren. Die Macht der Naturgewalt über die Ohnmacht der Bürgerinnen und Bürger in ihren gefluteten Häusern und Wohnungen. Laschet ist dann auch schon am Vormittag in Altena im Märkischen Kreis, später in Hagen bei der Feuerwehr. Die CSU im Kloster Seeon ist da für ihn in jeder Hinsicht weit weg.

400 Soldatinnen und Soldaten in NRW im Einsatz

In Berlin positioniert sich derweil die Konkurrenz. Grünen-Kandidatin Baerbock meldet bereits am späten Mittwochabend unter dem Eindruck der Bilder der gewaltigen Wassermassen: „Meine Gedanken sind heute bei den Menschen im Westen und Osten Deutschlands, deren Straßen und Häuser durch Starkregen überschwemmt werden. Und ich danke den unermüdlichen Einsatzkräften, die viel riskieren, um zu helfen.“ Tags darauf auch die Mitteilung, dass Baerbock – als wäre sie bereits Kanzlerin – ihren Urlaub verkürzen werde. Den Menschen, die nun „vor den Trümmern ihrer Existenz stehen“, müsse nun schnell und unbürokratisch geholfen werden. Auch SPD-Kanzlerkandidat Scholz nutzt den Kurznachrichtendienst Twitter für eine Botschaft: „Die Meldungen zum Hochwasser alarmieren und schockieren.“ Sein großer Dank gehe an die Einsatzkräfte, die ihr Leben riskierten. Und: „Mein Mitgefühl gilt den Vermissten und Verstorbenen, ihren Angehörigen sowie allen, deren Häuser überschwemmt sind.“ Auch der erste Mann im Staate reagiert in einer solchen Krise. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betont, er sei „in Gedanken“ bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern, „die in Not sind, die ihr Hab und Gut und manche von ihnen auch ihr Dach über dem Kopf verloren haben“.

Derweil schickt die Bundeswehr mehr als 400 Soldatinnen und Soldaten in die besonders schwer vom Hochwasser gefluteten Regionen in NRW und Rheinland-Pfalz. Wie die Streitkräftebasis in Bonn auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt, unterstützen rund 200 Soldaten vom Panzerpionierbataillon 130 und rund 30 Soldaten vom Versorgungsbataillon 7 die Einsatzkräfte in Hagen. Drei Krankenwagen vom Sanitätsregiment 2 helfen beim Evakuieren eines Alten- und Pflegeheimes in Kordel. In Ahrweiler sind rund 100 Soldaten des IT-Bataillons 281 im Einsatz. Und in Daun stehen rund 70 Soldaten vom Bataillon Elektronische Kampfführung 931 sowie weitere vier Krankenwagen vom Sanitätsregiment 2 den zivilen Rettungskräften zur Seite.

DRK mit Hunderten Helfern im Einsatz

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ist mit Hunderten Helfern im Einsatz gegen die Folgen des Hochwassers. DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt verlangt einen insgesamt besseren Katastrophenschutz in Deutschland. Konkret forderte Hasselfeldt die Bereithaltung von ausreichend Notunterkünften, Zelten, Decken, Feldbetten, Trinkwasser, sanitären Anlagen und Essen für solche Fälle sowie die Gewährleistung von gesundheitlicher Versorgung. „Wir brauchen deshalb für große Krisenfälle eine Bundesvorhaltung, wie wir sie ähnlich bereits in den Zeiten des Kalten Krieges bis in die 90er Jahre hinein hatten. Das DRK hat deshalb mit anderen anerkannten Hilfsorganisationen schon vor Längerem bundesweit zehn Reservelager für die Versorgung der Bevölkerung vorgeschlagen“, sagte Hasselfeldt unserer Redaktion.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland mahnt derweil als Konsequenz aus den jüngsten Hochwassern in NRW und Rheinland-Pfalz einen wirksameren Klimaschutz durch eine nächste Bundesregierung an. „Jetzt ist die Zeit, in der wir durch schnellen und wirksamen Klimaschutz die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise gerade noch abfedern können, bevor sich das Weltklima um mehr als 1,5 Grad Celsius erhitzt“, sagte BUND-Vorsitzender Olaf Bandt unserer Redaktion. „Aufgestaute und begradigte Flüsse, zerstörte Wasserspeicher wie Auen und Moore sowie immer weiter versiegelte Flächen haben katastrophale Folgen für den Wasserhaushalt unserer Landschaften. Naturschutz ist auch Hochwasserschutz.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Ereignisse zeigen, mit welcher Wucht die Folgen des Klimawandels uns alle treffen können und wie wichtig es ist, sich künftig auf solche Extremwetter-Ereignisse einzustellen.“ Schulze sagte unserer Redaktion: „Wir können uns zu wenig Klimaschutz schlicht und einfach nicht leisten.“

Auch Klima-Aktivistin Luisa Neubauer betont, sie und ihre Mitstreiter hätten die Bundesregierung seit 2018 aufgefordert, alles dafür zu tun, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. „Wir fordern sie zum Handeln auf, damit diese Katastrophen eben nicht zur Regel werden.“ Die Klimakrise sei „kein abstraktes Problem“. Neubauer: „In diesem Moment müssen Menschen erleben, wie unerbittlich sie Lebensgrundlagen zerstört.“

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