CDU-Nachfolge Das sind die Folgen der Merkel-Ära

Berlin · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet kandidiert um den Vorsitz der CDU und verhagelt Friedrich Merz mit einem Coup die Schau. Die Partei könnte den bisher härtesten Kampf um die Führung erleben.

 Will hart um die Macht kämpfen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (l.), mit Gesundheitsminister Jens Spahn (r.) nach einer Pressekonferenz zu einer möglichen Kandidatur für den CDU-Vorsitz.

Will hart um die Macht kämpfen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (l.), mit Gesundheitsminister Jens Spahn (r.) nach einer Pressekonferenz zu einer möglichen Kandidatur für den CDU-Vorsitz.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der erste Tiefschlag sitzt schon, bevor der Kampf um den CDU-Vorsitz auf offener Bühne begonnen hat. Friedrich Merz hatte sich für die offizielle Bekanntgabe seiner Kandidatur am Dienstag um 11 Uhr einen Termin in der Bundespressekonferenz in Berlin reserviert. Bis zum Morgen sieht es nach dem Aufschlag des Tages aus. Der Ex-Unionsfraktionsvorsitzende, 2002 von Angela Merkel aus der ersten Reihe gedrängt und 2018 Annegret Kramp-Karrenbauer in der Kampfkandidatur um den Parteivorsitz unterlegen, greift noch einmal an. Er will die Christdemokraten führen und eine Richtungsentscheidung herbeiführen – nicht zwischen links, Mitte, rechts, sondern zwischen „Kontinuität“ und „Aufbruch und Erneuerung“. Er sei der Erneuerer.

Aber dann übernehmen den Aufbruch in diesen Tag andere. Kurz nach acht Uhr melden Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn völlig überraschend eine gemeinsame Pressekonferenz für 9.30 Uhr an – „zur Zukunft der CDU Deutschlands“. 90 Minuten Vorsprung vor Merz. Der hat bis dahin noch geglaubt, im Falle seiner Niederlage beim Sonderparteitag am 25. April den Posten des Vizevorsitzenden übernehmen zu können. „Das hat sich heute erledigt“, sagt er kurz. Denn Laschet hat diesen Posten bereits öffentlich Spahn angetragen. Angestachelt stellt Merz klar: „Ich spiele auf Sieg und nicht auf Platz.“ Und: „Ich will gewinnen.“

Das will Laschet auch. Wer ihn für eine rheinische Frohnatur mit Beißhemmung gehalten hat, weiß spätestens seit diesem Coup mit Spahn, dass er sehr hart um die Macht kämpfen wird. Mit Spahn verbinden ihn heftige Streitigkeiten, Spahn sägte an seinem Stuhl. Aber nun Schwamm drüber, jetzt Brücken bauen. In Nordrhein-Westfalen hat Laschet vorgemacht, wie er sich ein CDU-Team vorstellt, dass die Breite der Volkspartei erreicht: Sozial- und Mittelstandsflügel eingebunden, einen konsequenten Innenminister und eine Integrationsbeauftragte mit Migrationshintergrund installiert – und Merz als Berater der Landesregierung.

Spahn verlor vor 16 Monaten gegen AKK

Integrieren, das könne Laschet, sagt Spahn. Liberale, Soziale und Konservative könne er zusammenführen und die Partei zusammenhalten. Das sei das Entscheidende jetzt, denn die CDU sei in der größten Krise ihrer Geschichte. Die Spendenaffäre vor 20 Jahren war das eigentlich auch. Aber damals gab es noch keine Partei rechts von der Union und sie lag nicht unter 30 Prozent.

     „Ich will gewinnen“, stellt Friedrich Merz, ehemaliger Unions-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, an diesem Dienstag fest.

„Ich will gewinnen“, stellt Friedrich Merz, ehemaliger Unions-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, an diesem Dienstag fest.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Spahn hatte wie Merz vor 16 Monaten gegen Kramp-Karrenbauer verloren und Kanzlerin Angela Merkel das politische Leben oft schwergemacht. Aber als Gesundheitsminister ist er im Eiltempo alte Probleme angegangen. Er hat wie bei der Organspende nicht jede Entscheidung gewonnen, dafür an Format und Erfahrung. Er ist ein Macher. Zwei Kampfkandidaturen innerhalb von 16 Monaten sei aber eine zu viel, sagt er. Es könne nur einen Parteichef geben und das bedeute, dass einer zurückstecken müsse. Und das macht Spahn. Er verzichtet zugunsten von Laschet. So schwer es ihm fällt. Viele CDU-Mitglieder werden ihn dafür lieben. Spahn ist 39 Jahre alt. Die Zukunft steht ihm offen.

Merz erwischt die Offerte des Duos kalt. Er hat anfangs Mühe, in Schwung zu kommen, rattert seine Ziele und Inhalte herunter, den Blick auf den Tisch gerichtet. Aber dann kommt er in Fahrt. „Ohne meinem Freund Armin Laschet zu nahe treten zu wollen“, sagt Merz, als er ihn in die Kategorie „Kontinuität“ einsortiert. In das bloße Weiter-so nach Merkel. „Wir verkörpern zwei unterschiedliche Richtungen“, sagt Merz. Darüber müsse der Parteitag entscheiden. Die CDU müsse die digital modernste Partei werden, ein neuer Generationenvertrag sei nötig, bessere Bildungschancen, mehr Europa wagen, den Rechtsextremismus bekämpfen, die Wirtschaft stärken. Dass Laschet und Spahn als Team anträten, sei völlig in Ordnung. Respekt! „Ich sage das wirklich ohne jede Kritik“, betont Merz. Aber dann übersetzt der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende diese Teambildung ins „Wirtschaftsleben“ und spricht von einer „Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbers“. Man kann das übersetzen mit einem Zusammenschluss von Konkurrenten, aber auch mit organisierter Kriminalität. Diese Kampfkandidatur dürfte härter werden als 2018.

Laschet und Röttgen waren schon immer Konkurrenten

Laschet, der Merkelianer, räumt mit dem Weiter-so auf. „Jetzt stehen wir vor einer neuen Zeit“, sagt er, „vor einer neuen Kanzlerschaft“. Er müsse sich nicht demonstrativ von Merkel absetzen, weil man damit gar kein eigenes Profil gewinne. Er wolle generationenübergreifend eine Politik der Mitte machen und damit den Charakter der Volkspartei bewahren. Über den dritten Kandidaten, Norbert Röttgen, der zwischen Merz und Laschet verortet wird, will Laschet „nicht sprechen.“ Die beiden waren schon immer Konkurrenten.

Nur eines verbindet Merz und Laschet an diesem Tag: Beide wollen nicht Mitschuld am Scheitern von Kramp-Karrenbauer sein. Merz beschwört seine Loyalität zu ihr und Laschet bedauert ihren Rückzug – „vor allem zu diesem Zeitpunkt“, was so viel heißt, dass es kaum eine schlechtere Gelegenheit gewesen wäre, als inmitten der Krise mit der CDU in Thüringen um die dortige Regierungsbildung die Reißleine zu ziehen. Dass sie beide Kanzlerkandidat werden wollen, ist auch klar.

Spahn zitiert abermals Merkel, als sie die CDU 1999 zur Emanzipation von Helmut Kohl aufrief und sagte die Partei müsse wieder „laufen lernen“. Das sei originell, sagt Laschet. „Ich laufe schon ein bisschen.“ Und: „Der Kampf muss erst beginnen.“ Hat er schon.

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