Interview mit NRW-CDU-Vorsitzenden Armin Laschet "Das wird keine Massenbewegung"

BONN · Angst vor einer Islamisierung ist in der Bundesrepublik nach Ansicht des nordrhein-westfälischen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet unbegründet. Deshalb rät er im Blick auf die Pegida-Bewegung ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") zu "etwas mehr Gelassenheit". Mit Laschet sprach Ulrich Lüke.

Herr Laschet, machen Ihnen Pegida oder Bogida Angst?
Armin Laschet: Wenn in Nordrhein-Westfalen in zwei Städten wenige hundert Menschen demonstrieren, empfehle ich etwas mehr Gelassenheit. Die gewaltbereiten Hooligans und Neonazis in Köln haben mich mehr beunruhigt.

Ist eine Angst vor Islamisierung begründet?
Laschet: Nein. Diese Angst ist nicht berechtigt. Und mein Eindruck ist, dass die Menschen, die in Dresden auf die Straße gehen, auch ganz andere Dinge bewegen als die Islamisierung. In Dresden gibt es so gut wie keine Muslime. In den Regionen Nordrhein-Westfalens, wo es viele Muslime gibt, funktioniert das Zusammenleben und es gibt keine Demonstrationen. Doch da, wo keine Muslime sind, gibt es anscheinend eine diffuse Angst, die man aber ernst nehmen muss.

Was tut die CDU, um diese Angst ernst zu nehmen?
Laschet: Es ist für eine christliche Partei wichtig, wenn ein Mann wie der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick klipp und klar sagt: Christen gehen nicht auf solche Demonstrationen. Deshalb dürfen die Demonstranten auch nicht das christliche Abendland für sich in Anspruch nehmen. Christen ist es eigen, dass sie Respekt haben vor anderen Religionen und dass sie nicht fremdenfeindlich sind. Auch der Kölner Kardinal Woelki hat immer zu mehr Einsatz für die Flüchtlinge aufgerufen.

Sehen Sie andere Beweggründe für die Demonstranten, sei es in Dresden, sei es in Bonn?
Laschet: Für Bonn sehe ich sie noch weniger als für Dresden, weil Bonn noch prosperierender ist. Bonn ist eine der blühenden Städte in NRW mit großer Perspektive. Deshalb wird das auch in Bonn zu keiner Massenbewegung.

Nochmal: Wo sehen Sie Auslöser des Protestes?
Laschet: Da die Menschen ja stumm durch Dresden ziehen und am Montag Weihnachtslieder singen wollen, ist mir der Auslöser nicht klar. Möglicherweise ist es ein Nichtverstandensein von Politik. Deshalb halte ich auch nichts davon, alle, die da demonstrieren, als Nazis in Nadelstreifen zu beschimpfen, wie das der Landesinnenminister getan hat. Das wird den Protest, der sich ja auch gegen die Medien richtet, eher noch befeuern. Das ist ja das Schwierige an diesen Demonstranten, dass sie niemandem erklären, wogegen sie eigentlich sind. Das ist eine völlig neue Form des Protestes.

Dahinter könnte stecken, dass sich die Entfremdung zwischen Politik und Bürgern weiter verstärkt hat?
Laschet: Wenn das ein Massenphänomen in Deutschland wäre, dann würde das stimmen. Aber das erkenne ich bisher nicht. Wenn ein paar hundert Leute vor den Landtag ziehen, ist es noch kein Anlass zu sagen, 18 Millionen Nordrhein-Westfalen seien verunsichert. Dennoch muss die Antwort sein, dass man in dieser immer komplexeren Welt alles, was man politisch entscheidet, auch begründet.

Etwa die Entscheidung, Flüchtlinge aufzunehmen?
Laschet: Mein Eindruck ist, dass die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, heute viel größer ist als noch vor 20 Jahren. In den 90er-Jahren gab es eine aggressive Anti-Stimmung gegen Asylbewerber. Heute gibt es viel ehrenamtliches Engagement, weil man die Bilder des Krieges in Syrien und im Irak vor Augen hat. Aber wir müssen immer wieder begründen, welche Anstrengungen das mit sich bringt, so wie wir begründen müssen, dass Europa gerade in einer globalisierten Welt immer wichtiger wird.

Hat Horst Seehofer Recht, wenn er daran erinnert, dass es rechts von der Union keine Partei, auch keine Bewegung geben dürfe? Laschet: Das muss unser Ziel sein, ja. Das Problem bei der AfD ist, dass sie sich im Osten auch aus linken Ressentiments speist. Etwa im Wahlkampf in Brandenburg, wo sie mit prorussischen und antiamerikanischen Parolen und gegen das Freihandelsabkommen aufgetreten ist und die innere Sicherheit in der Stasi-DDR gelobt hat. Ob die AfD also eine Partei rechts von der Union wird oder ob es eine Partei wird, die nur Ressentiments aufgreift, kann man heute noch nicht sagen. Die Richtungskämpfe zwischen Herrn Gauland, Herrn Henkel und Herrn Lucke zeugen davon.

Simmt die Assoziation Fremdenhass - Judenhass - Muslimhass?
Laschet: Ressentiments gegen Religionen sind oft sehr ähnlich. Es gibt allerdings auch Schnittmengen, bei denen das nicht stimmt. Es gibt zum Beispiel einen linken Antisemitismus. Und es gibt bei rechtsradikalen Parteien Antisemitismus und Hetze gegen Muslime.

Haben Sie sich als ehemaliger Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen etwas vorzuwerfen?
Laschet: Das erste deutsche Integrationsministerium war nötig, weil die Integration nicht überall gelang und es mangelnde Deutschkenntnisse und Desintegration gab. Die Frage, wie Aufstiegschancen durch Bildung gelingen, ist heute immer noch aktuell. Aber es gibt keine allgemeine Integrationsdebatte im Land. Die Stimmung war zu Zeiten, als Sarrazin sein Buch schrieb, viel aggressiver.

Sie sehen also in Pegida keine große Gefahr, die etwa das öffentliche Bewusstsein im kommenden Jahr bestimmen könnte?
Laschet: Nein. Ich glaube, da wird sich vieles beruhigen. Es ist kein Phänomen, das ganz Deutschland erreicht hat, und es ist insbesondere keines, was Nordrhein-Westfalen beunruhigen muss. Dennoch ist Wachsamkeit geboten. Wir könnten ja das christliche Abendland und christliche Werte wieder ernster nehmen. Das hilft gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung.

Zur Person

Armin Laschet, 1961 in Aachen geboren, ist seit Juni 2012 Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen. Im selben Jahr wurde er auch zu einem der Stellvertreter von Angela Merkel im Bundesvorsitz der CDU gewählt. Seit Ende 2013 ist Laschet zudem Vorsitzender der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Von 1994 bis 1998 gehörte der Christdemokrat dem Bundestag an, danach saß er fast sechs Jahre im Europäischen Parlament, ehe ihn Ministerpräsident Jürgen Rüttgers 2005 zum Landesminister für Generationen, Familie, Frauen und Integration berief.

Heute in Bonn

Heute werden sich auf dem Markt zwei Demonstrationsgruppen gegenüberstehen: Ab 17 Uhr will das von vielen bürgerlichen Gruppierungen getragene Bündnis "Bonn stellt sich quer" vor dem Alten Rathaus gegen die rechtspopulistische Bogida-Bewegung mit einem Bühnenprogramm demonstrieren . Von 18 bis 18.30 Uhr werden Redner zu hören sein, darunter Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch. Das Bündnis erwartet wie vor einer Woche auf dem Kaiserplatz mehr als 3000 Teilnehmer, die gegen Bogida ("Bonn gegen die Islamisierung des Abendlandes") demonstrieren. Der Sprecher des Integrationsrats der Stadt Bonn, Rahim Öztürker, hat alle Bonner dazu aufgerufen, an der Gegendemo von "Bonn stellt sich quer" teilzunehmen: "Wir wollen zeigen, dass Diskriminierung, Rassismus und rechte Parolen in Bonn keinen Platz haben."

Die Bogida-Versammlung beginnt um 18.30 Uhr ebenfalls auf dem Marktplatz, und zwar nahe der Brüdergasse. Die Organisatoren rechnen mit 500 Teilnehmern. Als Redner ist unter anderem der frühere FAZ-Journalist und Islamkritiker Udo Ulfkotte eingeladen.

Besucher der Innenstadt müssen mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen rechnen. Ab etwa 17.30 Uhr werden laut Polizei der Bertha-von-Suttner-Platz und die Straße Belderberg zwei bis drei Stunden für Fahrzeuge gesperrt. Das betrifft auch Busse und Bahnen. Die Stadtwerke planen, die Linien 66 und 62 zu trennen. Bereits am Nachmittag wird es Absperrungen und Personenkontrollen in der Fußgängerzone geben.

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