Aussage vor Geheimdienst-Kontrolleuren De Maizière sieht sich entlastet

BERLIN · Der Mittwoch war ein wichtiger Tag in der weiter köchelnden BND-Affäre. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium der Geheimdienste (PKGr) aus, und das Parlament diskutierte erstmals über den Verdacht, der Bundesnachrichtendienst (BND) könnte im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA Hilfe zur Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen geleistet haben.

 Selbstbewusst: Thomas de Maiziere gestern vor der Presse.

Selbstbewusst: Thomas de Maiziere gestern vor der Presse.

Foto: dpa

Und insgesamt ist der Tag für den in der Kritik stehenden Minister und die Bundesregierung nicht schlecht gelaufen.

De Maizière war zwischen 2005 und 2009 Chef des Kanzleramts und deshalb auch für die Kontrolle der Dienste verantwortlich. Im Raum steht der Vorwurf, er habe frühzeitig, so im Jahre 2008, durch den BND selbst davon erfahren, dass die Amerikaner die deutschen Kollegen um die Datenabschöpfung deutscher Unternehmen gebeten hätten. Nach der Anhörung vor den Abgeordneten des PKGr trat de Maizière selbstbewusst auf. "Von den gegen mich erhobenen Vorwürfen bleibt nichts übrig."

Wie zu erfahren war, hatte de Maizière dem Gremium die einschlägigen Vermerke des BND aus dem Jahre 2008 vorgelegt. Darin fanden sich aber keine Hinweise auf Firmennamen, auch nicht auf eine Liste sogenannter Selektoren, also die Adressen, die von der NSA zur Abschöpfung bestellt worden sein sollen.

Das musste nach der Sitzung auch André Hahn zugeben, der Vorsitzende des Kontrollgremiums und Mitglied der Linkspartei: "In den vorgelegten Unterlagen tauchten keine deutschen Firmen auf." Offenbar steht aber auch auf der ominösen NSA-Liste von 2000 Spionagezielen, die der BND nach den Snowden-Enthüllungen 2013 aussortiert hat, kein deutsches Unternehmen. Noch konnten die Abgeordneten diese Liste nicht einsehen, weil die Bundesregierung vor einer Übermittlung an die Parlamentarier auf eine Genehmigung der USA wartet.

Auffallend war gestern zudem, dass sich die SPD sichtlich um eine weniger schrille Tonlage bemühte. Der NSA-Untersuchungsausschuss sei "ein Aufklärungsgremium, kein Rücktrittsforderungsgremium", sagte der SPD-Innenpolitiker Christian Flisek in der aktuellen Stunde des Deutschen Bundestags. Man könne jetzt zwar "tüchtig auf die Pauke hauen", aber dazu sei "das Thema zu ernst". Noch am Vortag hatte der SPD-Vize Ralf Stegner im Gespräch mit dieser Zeitung den Fokus auf die Verantwortung der Bundeskanzlerin gelenkt.

Der hauptsächliche Streitpunkt zwischen SPD und Union besteht derzeit im Umgang mit der Selektorenliste. Während die Bundeskanzlerin eine Freigabe der Liste weiterhin von einer amerikanischen Zustimmung abhängig macht, sieht die SPD keine Notwendigkeit, darauf zu warten. Darauf hatte im Vorfeld auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel hingewiesen. Zündstoff erhält diese Frage nun auch dadurch, dass sich Generalbundesanwalt Harald Range sehr für die Liste interessiert. Er sagte dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, dass er dazu ein Erkenntnisersuchen ans Kanzleramt gestellt habe, teilten Ausschussmitglieder mit. Als möglicher Straftatbestand käme staatlich gelenkte Wirtschaftsspionage in Frage.

Die weitere Aufklärung der Affäre wird nun wieder vom NSA-Untersuchungsausschuss übernommen. Die Union zeigte sich gestern nicht willens, Forderungen der Opposition nachzugeben, nun vorrangig die politische Ebene als Zeugen zu vernehmen, also etwa die ehemaligen Kanzleramtsminister de Maizière, Ronald Pofalla und Peter Altmaier sowie die Bundeskanzlerin. Nina Warken, Obfrau der Union im Ausschuss, sagte, man werde zunächst "die Arbeitsebenen des BND" überprüfen und deshalb zuständige "Sachbearbeiter, Referatsleiter und Unterabteilungsleiter" laden. Die Kanzlerin werde "sicher nicht bis zur Sommerpause" als Zeugin geladen werden. Die SPD scheint mit der Reihenfolge einverstanden zu sein.

Die Opposition sieht mit dem Auftritt von Thomas de Maizière vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium die Vorwürfe noch längst nicht vom Tisch. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele warf dem heutigen Bundesinnenminister vor, er habe in seiner Zeit als Kanzleramtschef "nicht versucht, die Vorwürfe aufzuklären und abzustellen". Zudem habe er die Vorgänge auch "nicht in den USA zur Sprache gebracht".

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