Umfrage zur Schulzeitverkürzung Debatte um Turbo-Abitur geht weiter

Düsseldorf · Soll das Gymnasium wieder neun Jahre dauern? Elf Jahre nach der Einführung des Turbo-Abiturs G8 bekommt die Debatte um G8 oder G9 neue Nahrung: Bei einer Umfrage sprechen sich vier von fünf Eltern für eine Rückkehr zu G9 aus.

Sorgt eine neue Eltern-Umfrage für ein Wiederaufflammen der Turbo-Abitur-Debatte? Das Votum einer am Wochenende in Witten vorgestellten Umfrage der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW war jedenfalls eindeutig: In einer Onlinebefragung sprachen sich 88 Prozent der Eltern für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium aus. Ausgewertet wurden dafür fast 26.400 Fragebögen.

Einige Eltern wurden auch postalisch befragt: Dabei waren 79 Prozent für G9. Der Vorstand des Verbandes will die Ergebnisse der Umfrage nun eingehend auswerten und dann das Gespräch mit der Politik suchen. „Die Landesregierung kann an diesem Votum nicht vorbeigehen“, sagte Dieter Cohnen vom Vorstand der Landeselternschaft.

Will sie offenbar auch nicht: „Ich nehme natürlich jegliche Rückmeldung sehr ernst“, sagte NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) am Montag dem Radiosender WDR 2. „Ich meine, dass wir in Ruhe mit der Situation umgehen, dass wir gleichzeitig aber auch den gemeinsam besprochenen und verabredeten Weg für die Schülerinnen und Schüler optimieren, die jetzt in den Schulen sind.“ Schnellschüsse wären jetzt kontraproduktiv.

Schüler sind überlastet und haben zu wenig Freizeit

Nach starker Kritik an Überlastung der Schüler und zu wenig Freizeit hatte Löhrmann 2014 einen „Runden Tisch“ einberufen. In dem Gremium waren alle für das Gymnasium relevanten Verbände und Gruppierungen vertreten. Mit großer Mehrheit sprach sich der Arbeitskreis für die Beibehaltung des achtjährigen Gymnasiums aus, empfahl aber Entlastungen für die Schüler.

Die Neuregelungen traten zum laufenden Schuljahr in Kraft. Begrenzt werden sollen etwa Hausaufgaben, Nachmittagsunterricht und die Zahl der wöchentlichen Klassenarbeiten. Erst in der vergangenen Woche hatte Löhrmann den Schulausschuss über den Stand der Umsetzung informiert.

„Die Hoffnung der Schulministerin, das Thema mit Hilfe des Runden Tisches zu befrieden, ist gescheitert“, kommentierte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) NRW, Udo Beckmann, die Umfrageergebnisse. Die Empfehlungen dieses Gremiums nähmen den Eltern offenbar nicht die Sorgen um eine Überforderung der Kinder. Der VBE wiederholte seine Forderung nach einer Verlängerung der Sekundarstufe I auf sechs Jahre.

Falscher Zeitpunkt für Debatte

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW, Dorothea Schäfer, kritisierte die Umfrage: „Es ist der falsche Zeitpunkt, das Fass jetzt wieder aufzumachen“, sagte sie. Die geplanten Entlastungen bräuchten auch Zeit. „Wenn sich herausstellt, dass die Maßnahmen überhaupt keine Wirkungen zeigen, dann muss man natürlich reagieren.“

Die SPD im Düsseldorfer Landtag signalisierte Gesprächsbereitschaft: „Wir nehmen das Ergebnis der Umfrage sehr ernst und werden das Gespräch mit der Landeselternschaft suchen“, erklärte Eva-Maria Voigt-Küppers, stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie verwies ansonsten auf die Vereinbarungen des Runden Tisches. Nach dem Schuljahr 2016/17 sollen Ergebnisse einer Überprüfung vorliegen, ob die Maßnahmen greifen. „Überstürzte Reaktionen helfen nicht weiter“, betonte sie.

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