Interview mit Michael Brand Der Abgeordnete über die organisierte Sterbehilfe

Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand erarbeitet für die Union einen Gesetzentwurf. Er tritt für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe ein. Mit ihm sprach Norbert Wallet.

Herr Brand, der Wunsch zu sterben ist eine so private Sache, dass man begründen muss, warum der Staat überhaupt das Thema Sterbehilfe gesetzlich regeln soll.
Michael Brand: Der Grund liegt in Aktivitäten von Vereinen und Personen, die aus Beihilfe zum Sterben ein organisiertes Vorgehen oder kommerzielles Geschäft machen. Das darf eine Gesellschaft nicht zulassen.

Offenbar antworten diese Vereine auf ein Bedürfnis.
Brand: Dennoch ist Suizid ja keine normale Alternative. Auch wird oft verschwiegen, dass es für Betroffene, für schwer körperlich Erkrankte zum Beispiel, Palliativmedizin und Hospize gibt, die sich übrigens steigender Nachfrage erfreuen. Palliativmediziner berichten, dass bei fast allen der Todeswunsch dann schwindet, wenn sie wissen, dass Schmerzen gerade am Ende des Lebens gelindert werden. Hier gibt es gewaltige Möglichkeiten, die zu wenig bekannt sind. Aber auch Einsamkeit und mangelnde Zuwendung sind Faktoren, die zu Selbsttötungswünschen führen. Nie kann aber der vorschnelle Tod die Antwort sein - eine menschliche Gesellschaft muss hier sicher andere Antworten finden.

Meinen Sie, dass es ohne solche Vereine tatsächlich weniger Selbsttötungen gäbe?
Brand: Angebot schafft immer Nachfrage. In Belgien sind die Opfer von Tötung auf Verlangen in den letzten zehn Jahren um das Sechsfache gestiegen, von 235 auf 1432. Hinter jedem Suizid bleiben viele betroffene Familien und Freunde ratlos zurück. Wollen wir so etwas wirklich, anstatt andere Auswege anzubieten? Diese Frage muss nicht nur die Politik, die muss die Gesellschaft insgesamt gut wägen und beantworten.

Ist es für sie rechtlich beachtlich, ob ein Sterbehilfe-Verein gewinnorientiert arbeitet oder nicht?
Brand: Das ist nicht das zentrale Kriterium. Mit dem Tod von verzweifelten Menschen auch noch Profit zu machen, ist ziemlich kalt und zynisch. Wir wollen die organisierte Suizidbeihilfe unterbinden - darum geht es. Es darf keine Tür geöffnet werden, die hinterher niemand mehr schließen kann. Durch diese Tür können Menschen geschoben werden, sogar gegen ihren eigentlichen Willen. Auch ist ärztlich assistierter Suizid keine Alternative. Uns ist aber auch wichtig: Niemand soll bestraft werden, der als Angehöriger sozusagen den letzten Wunsch auf Selbsttötung ermöglicht. Diese Beihilfe zum Suizid wird weiter straffrei bleiben.

Wer nicht kommerziell Sterbehilfe anbietet, hat aber oft das Gefühl, wirklich Hilfe anzubieten.
Brand: Manch einer mag das glauben. Aber es birgt doch große Gefahr und ist keine Lösung. Es gibt den Fall eines Pensionärs, der mit der Kaffeemühle durch Deutschland reist, um das tödliche Gift in Apfelbrei zu mischen. Der glaubt sicher, er tue Gutes. Dabei kann heute die Palliativmedizin Schmerz und damit Verzweiflung weitestgehend nehmen und damit ist dieses tödliche Gift auch ein tödlicher Irrtum, und es ist nicht akzeptabel. Dieses organisierte Vorgehen muss gestoppt werden, unabhängig davon, ob dies ein Verein oder eine Einzelperson tut. Wer hier Wiederholungstäter ist, muss mit Strafe rechnen. Allerdings sind hier noch wichtige Abgrenzungen zur medizinischen Hilfe zu klären. Hier sind wir intensiv mit Fachleuten im Dialog, um das auch vernünftig regeln zu können.

Sie nennen den Arzt. Der aber verfügt über das Wissen genau das zu prüfen, was Sie ansprechen, ob der Schmerz anders gelindert oder der Lebensmut noch wiedererweckt werden kann.
Brand: Die Ärzte sind ja selbst gegen eine rechtliche Lizenz zum Töten. Ärztepräsident Montgomery hat dies sehr klar so formuliert: Ärzte sind dem Leben verpflichtet, sie sind keine Todesengel. Darin gründet letztlich ja das Vertrauen der Patienten in den Arzt. Soll Politik ausgerechnet hier einen Paradigmenwechsel erzwingen, den die Ärzteschaft klar ablehnt? Das geht nicht.

Ist die ärztliche Verpflichtung, stets für das Leben zu arbeiten, nicht schon dadurch aufgeweicht, dass in der Palliativmedizin schwere Schmerzmittel verabreicht werden dürfen, deren Einsatz letztlich lebensverkürzende Wirkung haben?
Brand: Jeder Arzt will seinem Patienten die Schmerzen nehmen, niemand muss wegen Angst vor Schmerzen zum Sterben in die Schweiz fahren. Das Instrumentarium zur Schmerzbekämpfung ist breit und geht bis zu narkoseähnlichen Mitteln, die Menschen das Hinübergehen beim Sterben sehr erleichtern. Die palliative Sedierung will Schmerzen ausschalten, nicht Leben ausknipsen. Der Tod kann dabei als Nebenwirkung eintreten, ist aber niemals Ziel - das ist der entscheidende Unterschied. Sterben kann als friedliche Erlösung empfunden werden, wie ich es in der Begleitung von Angehörigen erlebt habe.

Und was heißt das für die Politik, für die Entscheidung des Bundestages im nächsten Jahr?
Brand: Beim Kampf gegen vorschnellen Tod kommt es auf mehrere Ebenen an: Gesetzlich muss organisierte Suizidbeihilfe gestoppt werden. Zugleich müssen erhebliche Verbesserungen von Palliativmedizin und Hospizen erreicht werden. Hier muss Politik konkret liefern, wenn sie glaubwürdig sein will.

Zur Person

Der 40-jährige Michael Brand ist seit 1993 Mitglied der CDU. Der gebürtige Fuldaer studierte in Bonn und Sarajevo Politischen Wissenschaften, Rechtswissenschaften und Geschichte. Von 2001 bis 2005 war er Pressesprecher der CDU-Fraktion im hessischen Landtag und Pressesprecher der CDU Hessen. Seit neun Jahren ist er Mitglied des Bundestages. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

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