Kommentar zur Rede von Joachim Gauck Der Bürgerpräsident

Meinung · Joachim Gauck hat noch einmal weit hinein ins Land geblickt. Mit der Nüchternheit des Analytikers, der Verantwortung, aber auch Zuneigung des Staatsoberhauptes und der Nachsicht des Pastors, der er viele Jahre war.

 Bundespräsident Joachim Gauck geht nach seiner Rede zum Ende seiner Amtszeit am 18.01.2017 im Schloss Bellevue in Berlin vom Pult.

Bundespräsident Joachim Gauck geht nach seiner Rede zum Ende seiner Amtszeit am 18.01.2017 im Schloss Bellevue in Berlin vom Pult.

Foto: dpa

Um Deutschland steht es gut, vielleicht so gut wie nie, aber die Republik ist eben auch neuen Gefahren ausgesetzt, so der Befund des Bundespräsidenten wenige Wochen vor seinem Abgang.

Gauck verlässt das höchste Staatsamt aus freien Stücken – und auch wieder nicht. Als er im Juni vergangenen Jahres ankündigte, nicht für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zu kandidieren, limitierte ihn vor allem sein Alter von bald 77 Jahren. Wäre er jünger gewesen, hätte er weitergemacht. Aber weitere fünf Jahre in einem fordernden Amt hätten seine Kräfte mit dann mehr als 80 Jahren womöglich überstiegen. Gauck hat klug entschieden.

Wunderbares Karriereende

Er geht mit sich im Reinen. Und er kann auf eine Biografie mit einem wunderbaren Karriereende zurückblicken. Das Land, das er als erster Mann des Staates weltweit repräsentiert hat, ist in guter Verfassung, auch wenn die Welt im Umbruch ist. Digitale Revolution, frisierte Wahrheiten in Zeiten der sozialen Netzwerke, Rückbesinnung auf den Nationalstaat in einigen Ländern Europas, Kriege und Krisen, die Flüchtlinge nach Deutschland bringen, EU-Austritt Großbritanniens und schließlich noch eine Wundertüte namens Donald Trump als US-Präsident. All dies hat Gauck in seiner letzten großen Rede als Bundespräsident aufgelistet und benannt.

Gauck war in den fünf Jahren seiner Amtszeit Mahner und Mutmacher – gerade nach Terroranschlägen wie in Paris, Brüssel und zuletzt Berlin. Er hatte sein Thema: Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte. Wie jetzt auch in dieser Rede appellierte er als reisender Politiklehrer, wie er sich einmal bezeichnet hat, immer wieder an die Menschen, sich bei der Mitgestaltung der Demokratie einzumischen, Freiheit nicht als selbstverständlich zu betrachten.

Er war unbequem und beharrlich, wenn es galt, mächtigen Autokraten nahezubringen, dass sie das Recht nicht für sich gepachtet, sondern dieses und auch Volkes Wille zu respektieren haben.

Skepsis gegenüber Trump

Die Olympischen Spiele des Wladimir Putin in Sotschi hat Gauck boykottiert, dafür reiste er zur Gedenkfeier für die Opfer des Maidan-Aufstandes in die Ukraine. Die Türkei des Recep Tayyip Erdogan bereitet ihm größte Sorge. Die Vereinigten Staaten des Donald Trump sieht er mit einiger Skepsis (wie viele andere auch).

Vor allem aber ist Gauck ein Bürgerpräsident, der vielleicht keine Ruck-Rede gehalten hat, aber doch versucht hat, den Menschen die Augen für Vorzüge und Werte dieses Landes zu öffnen. Manchen mag er zu pastoral gewesen sein, doch in seiner Direktheit war Gauck nie verletzend. Gauck geht vermutlich nicht ganz so zuversichtlich aus dem Amt, wie er es angetreten hat. Sein politisches Vermächtnis hat er jetzt hinterlegt.

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