Von der Gebietsreform über Stop Koop bis zu G9 Der Erfolg von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden

Volks- und Bürgerbegehren in Ländern und Kommunen werden immer populärer: Erfolgreiche Entscheide gab es gegen die Schulreform in Hamburg und die Tempelhof-Bebauung in Berlin.

Auf Landes- und auf kommunaler Ebene sind Volksbegehren und Volksentscheide sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheide an der Tagesordnung.

So gab es nach Angaben des Vereins "Mehr Demokratie" in NRW landesweit bisher drei Volksbegehren sowie in den Städten und Gemeinden des Landes 764 Bürgerbegehren und 238 Bürgerentscheide. Hier einige Beispiele, auch über NRW hinaus:

Aktion Bürgerwille (1974): Das erste Volksbegehren in NRW hatte zum Ziel, die Selbstständigkeit zahlreicher kleiner Gemeinden zu erhalten. Initiiert wurde es von einer Gruppe aus dem Heimatverein Wattenscheid, die die Eingliederung nach Bochum verhindern wollte. Die Unterschriften von landesweit 720 000 Bürgern (sechs Prozent) reichten nicht aus. Die Gebietsreform wurde umgesetzt.

Stop Koop (1978): Die SPD/FDP-Mehrheit im NRW-Landtag wollte es Schulträgern ermöglichen, Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien unter einer Leitung zusammenzulegen sowie schulformunabhängige Klassen 5 und 6 zu bilden. Unter großer Unterstützung der CDU-Opposition kamen im Rahmen eines Volksbegehrens gegen die "Kooperative Schule" 3,6 Millionen Unterschriften zusammen (29,9 Prozent der Stimmberechtigten). SPD und FDP nahmen ihre Pläne zurück, ein Volksentscheid war nicht mehr notwendig.

G9 jetzt in NRW (2017): Das dritte Volksbegehren, das die Rückkehr zur Regelschulzeit mit Abitur nach neun Jahren zum Ziel hat, läuft gerade. Selbst wenn die nötige Unterschriftenzahl zusammenkommt, wird es wohl nicht zum Volksentscheid kommen, denn sowohl die Regierungsfraktionen CDU und FDP als auch die Opposition im Landtag wollen das Turbo-Abitur nicht länger verfolgen.

Schwerte (1994): Rund 10 000 Unterschriften kamen für das erste NRW-Bürgerbegehren überhaupt zusammen. Es hatte die Erhaltung eines Schwimmbades zum Ziel. Ein Bürgerentscheid war nicht mehr nötig, weil der Rat einlenkte und den Schließungsbeschluss zurücknahm. Engagierte Bürger gründeten einen Förderverein und machten das Bad zu einem Bürgerbad.

Hamburg (2010): Der prominenteste Fall einer "erfolgreichen Dagegen-Initiative", so der Politikwissenschaftler Frank Decker, ist der Hamburger Schulentscheid. Der schwarz-grüne Senat hatte mit Zustimmung der SPD landesweit eine sechsjährige Primarschule begründen wollen. Nach einem erfolgreichen Volksbegehren war der Beschluss in einem Volksentscheid gekippt worden.

Bayern (2013): Erfolgreich war auch das Volksbegehren gegen die Studiengebühren. Hier war ein Volksentscheid nicht mehr nötig, weil sich die CSU von Ministerpräsident Horst Seehofer im Vorfeld der Landtagswahl gegen die Gebühren aussprach.

Berlin (2014): Eine Mehrheit entschied sich bei einem Volksentscheid gegen die Bebauung des ehemaligen Flughafens Tempelhof, der größten Freifläche der Bundeshauptstadt - und das, obwohl es in Berlin einen großen Bedarf an Wohnraum gibt.

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